POETENLADEN - neue Literatur im Netz - Home
 
 
 
 
 
 
 

Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte

Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Folge 18

Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.

18

Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard


Gerhard Zwerenz, Siegfried Unseld
Gerhard Zwerenz, Erich Frister, Siegfried Unseld

Vor einigen Monaten besprach ich die Autobiographie des thüringer Berliners Gerhard Branstner Liebengrün (Kai Homilius Verlag 2007) und lobte dessen provozierend unbescheidene Selbstinszenierung: »Unser Mann ist einer in ›18 Berufen‹, wovon er 9 Stück zu ›gleicher Zeit‹ ausübt. Weil er davon in der DDR selig leben, nach deren Liquidierung jedoch nur noch gutwillig vegetieren konnte, wurde er sein eigener Werbetexter, ein PR-Profi westwärtiger Unverschämtheiten. Also erfindet er die ›Religion der Atheisten‹, und zwar ›weit über Marx hinaus‹ und ist ›mithin der universellste und originellste Literat‹, ebenso ›Wissenschaftler. .. Theatermacher ... Dichter und Denker‹ in Personalunion, eben ein ›Markenname‹, wie's verlangt wird von den kapitalistisch aufgemotzten Marktgenossen.

Dabei lehrt der Mann auch noch das Lachen vom biologischen Grinsen bis zum Höllengelächter, und zwar in ›Klartext‹. Natürlich ist das Reklame, denn ein Genie wird unerkannt keins. Erkannt aber gibt es vom Publikum brausenden Herzensapplaus. In dem steckt, wie im Wein, Wahrheit.«


Einige LeserInnen und KollegInnen fanden Branstners freche, großkotzige Reklame peinlich. Sie meinten, der Mann übertreibe maßlos. Das trifft in zweierlei Hinsicht nicht zu. Erstens handelt es sich um den Image-Zauber üblicher westlicher Werbe-Usancen zum Zwecke allgemeiner Käuflich- und Verkäuflichkeiten. Das gilt unter Irren als normal. Zweitens ist Branstner Doktor der Philosophie. Was gar nichts besagen muss. Er aber kennt Nietzsche, der in Ecce homo der Reihe nach aufzählt: »Warum ich so weise bin … Warum ich so klug bin … Warum ich so kluge Bücher schreibe … « Das sind nur Überschriften. Im Text labert Sachsens Nietzsche noch unverschämter, denn »nur die Lumpe sind bescheiden« - nebenbei bemerkt ein Goethe-Zitat. Nietzsche Friedrich, egal wie einer zu ihm steht, röhrte und wutschnaubte, weil er bis dahin als Denker-Dichter kaum wahrgenommen wurde, sich seinem Bewusstseins-Ende nahe fühlte und mitten in ein Schlachtfeld hineingeboren worden war, dazu noch als Sohn eines Pastors, wie Gottes Funktionäre auf Erden beschönigend genannt werden. Wer denkt da nicht an Frau Merkel, die Tochter eines Kirchenmannes, die wohlweislich zur Physik entfloh und dennoch wieder zur Rechten des Herrn und seiner Krawallbrüder sitzen muss. Nietzsche also, unser Friedrich mit dem Übermenschen-Tick, hatte einen Pastor zum Papa und ein Lama zur Schwester und behauptete unverfroren von sich, Dynamit zu sein. Tatsächlich stammte er aus dem sächsischen Röcken, nahe Leipzig gelegen und dem größeren Lützen zugeordnet, wo Schwedens König Gustav Adolf 1632 bei einer seiner Schlachten ins Gras beißen musste und mit ihm ganze Scharen protestantischer und katholischer Soldaten. So blieb die Erde dort zum Wohle der Landwirtschaft immer gedüngt und der forsche Nietzsche predigte: »Der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt.« Ja, wer auf dem Schlachtfeld geboren wird, ist mit Blut getauft und avanciert zum Feldprediger.


Gerhard Branstner entnahm unserem Übermenschen nicht die Kriegslust, aber des Dichters so wütende wie fröhliche Selbstsicherheit, quasi den Überdichter, und hier geht unser aller Ironie flöten, da zücken wir glattweg die Worte wie Gustav Adolf den Degen zur Verteidigung aller Protestanten. Ein braver blonder Schwede ging dem schwarzen Feldherrn Tilly an den Kragen und starb dabei den religiösen Heldentod zu Pferde.

Ich kam vom gerechtfertigten Branstner über Nietzsche zu Gustav Adolf und lande nun bei Erik Neutsch, der an der Elbe geboren wurde und in jenem Großsachsen, das sich DDR nannte, sein dichterisches Unwesen trieb, das vom Gefängnis bis zum Nationalpreis alles einbrachte, was nicht zu erwarten stand. Ein plebejischer Glücksfall mit Verstand und Herz.


Klaus Höpcke, vormaliger DDR-Buchminister, den ich mied wie er mich, den ich beachte, seit er so ein widerspenstiger Ex-Minister ist wie ich Ex-Kommunist bin, schickte vor einigen Wochen Texte, Dietz Verlag Berlin, eine Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum »Literarischen Werk von Erik Neutsch«, der am 21. Juni 2006 seinen 75. Geburtstag feierte. Nachträglich noch ein Glück auf!


Die kenntnisreichen Artikel lese ich mit dem Interesse des Fremden, Ausgestoßenen, ein wenig unwillig Zurückblickenden. Dann schlägt der Nervenblitz ein und ich nichts wie runter in unsere Bibliothek, rechterhand neben der Treppe hängt ein Plakat mit einem Text vom November 1977, in dem Jahr publizierte ich, was hier als Abschrift mit der damals üblichen Orthographie und Zeichensetzung zu lesen ist:

Der DDR-Bestsellerautor Erik Neutsch reiste zur Buchmesse nach Frankfurt am Main und nutzte den Westausflug zu einem Abstecher nach Goddelau, dem Geburtsort Georg Büchners. Als Wegweiser diente ihm der westdeutsche »Reiseführer für Literaturfreunde«, in dem es über Goddelau heißt: »Im Geburtshaus sind Erinnerungen an den Dichter ausgestellt ...«

Neutsch fand das Geburtshaus. Er klingelte. Eine ältere Frau öffnete und erklärte, das Haus sei Privatbesitz und eine Büchner-Ausstellung gebe es nicht hier, wohl aber im Gemeindehaus

Der DDR-Autor wunderte sich.

Er wunderte sich noch mehr, als er feststellte, es gab auch im Gemeindehaus keine Büchner-Gedenkstätte.

Dafür lernte Neutsch in Goddelau Helmut Kleinböhl kennen, einen Opel-Konstrukteur und Erfinder, der die früher öffentlich ausgestellten Büchner-Erinnerungsstücke privat aufbewahrt: In seiner Garage.

Da hörte Neutsch aus der DDR gar nicht mehr auf sich zu wundern. Als Ergebnis seiner Verwunderung druckte »Neues Deutschland« am 11.1.75 in seiner Kulturausgabe Erik Neutsch's westdeutschen Reisebericht unter dem bezeichnenden Titel: »Reise zu Büchner: Endpunkt Garage«.

Ich bin kein Leser des SED-Zentralorgans. So bekam ich den Bericht erst um ein gutes Jahr verspätet zu Gesicht.

Nun wunderte ich mich.

Offensichtlich war meine Verwunderung bereits die zweite Reaktion, die Neutsch's ostberliner Veröffentlichung in der BRD hervorgerufen hatte. Vor mir hatte schon die wachsame FAZ reagiert, indem sie Neutsch feinsinnig entgegnete, in der DDR gebe es Büchners Werke nicht einmal im Buchhandel zu kaufen, ätsch!

Sollte dieser Vorwurf stimmen, fände ich es höchst bedauerlich und fatal. Erik Neutsch könnte mal die DDR-Buchhandlungen bereisen und nach Büchner-Büchern suchen. Berichterstattung hernach in »Neues Deutschland«. Dass die FAZ aber lediglich konterte und die von Neutsch mitgeteilten Fakten über Goddelau nicht bezweifelte, konnte nur heißen, dass sie stimmten.

Am 8.1.1977 fuhr ich nach Goddelau. Der Ort war schwer aufzufinden. Infolge der hessischen Gebietsreformen wechselte er gerade seinen Namen. Die alten Gemeindeschilder waren entfernt, die neuen noch nicht angebracht worden.

Jetzt nehmen sie Büchners Geburtsort auch noch den authentischen Namen weg, dachte ich missmutig.

In Büchners Geburtshaus, Weidstraße 9, befindet sich tatsächlich längst keine Gedenkstätte mehr ...


Meine Neutsch-Büchner-Expeditionen vom November 1977 und die Folgen mag ich nun nicht weiter aufblättern. Der Artikel erschien weiß der Himmel wo überall, Mitstreiter sammelten sich nach und nach, wir holten den hessischen Georg (Schorsch) ins BRD-Leben zurück. Mein Monolog-Stück, das vom Theaterverlag S. Fischer aus in allerlei Rundfunksender und auf verschiedene Bühnen fand, trug den Titel: Die Rede des Georg Bücher vor der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung anlässlich seiner Ablehnung als Büchnerpreisträger. Das wurde hier im Poetenladen schon einmal erwähnt? Wohl wahr. Nachzutragen bleibt mein Dank an Erik Neutsch. Der Bericht über sein Goddelau-Abenteuer brachte mich damals auf die richtige Spur. Die Spaltung und der kritische Blick von einem auf den anderen deutschen Staat hatte auch positive Aspekte. Noch lagen Vereinigung und der Beginn neuer Kriegszüge in weiter Ferne. 1989 dann entdeckten tapfere DDR-Pazifisten ihre Liebe zur Bundeswehr samt Auslands-»Einsätzen«. Wohin sind die Kontroversen von gestern? Mit Abscheu beobachte ich die Rückkehr zu Kampf und Krieg.

Warum schweigen zu alldem Erik Neutsch und Dieter Noll? Sind sie Unterworfene? Hermann Kant trafen wir neulich in Offenbach am Main, auf seine Lesung dort werde ich zurückkommen. Alle diese Autoren aber leiden am Substanzverlust ihrer DDR, die ab 1957 nicht mehr die meine war. Dennoch vermisse ich sie. Warum wohl? Die Antwort darauf ist zur allgemeinen Verblüffung am 2. Januar 2008 in der FAZ zu finden, dem Verlautbarungsorgan von Kapital und Kirche: »Manchem wird erst jetzt bewusst, wie sehr die Konkurrenz des Kommunismus, solange sie bestand, auch den Kapitalismus gebändigt hat. Aus sich heraus sind Demokratie und Marktwirtschaft ebensowenig gegen Selbstzerstörung gefeit wie totalitäre Systeme.« Das ist der gesellschaftliche Aspekt. Der individuell-mentale nimmt sich so aus:


Leih deine Feder keinem
schreib dich allein,
brenn deine Flamme ab
bis auf einen Schrei:
Im Namen der Revolution!
Schiel nicht,
schau grad aus:
wo Horizonte sich wölben,
wär der Blick in die Nacht
Lüge.

Red nicht, bilde
zag nicht, gehe.
Wenn die Hand den Kompaß fühlt,
hievt der Kopf Anker
aus schlammigem Grund
und die Wellen reiten dir Kraft zu;
der Fels unterm Leuchtturm
hebt wolkenhoch sich!
Dich zieht dein Ziel
und nichts kann mehr trügen.


Diese 20 Zeilen bilden das Mittelstück meiner liebevollen Botschaft Die Mutter der Freiheit heißt Revolution, abgedruckt am 1. Juli 1956 in der DDR-Kulturbundzeitung Sonntag, was mir als Trotzkismus ausgelegt wurde und zum Parteiausschluss beitrug, gegen den ich protestierte. Hier und heute führt es zurück zum Beginn dieses Kapitels und zu Gerhard Branstners Versuch der Ich-Bestärkung. Lerne endlich »Ich« zu sagen, wenn du im »Wir« untergebuttert werden sollst. Das unerschrockene Selbstbewußtsen Nietzsches, hier wird es Ereignis, denn Großsachsen, wie ich die DDR pleißenpatriotisch tituliere, wurde unter Wert verkauft, seine Bürger wurden verschaukelt, die Genossen verraten, seine Pazfisten schmiedeten Pflugscharen zu Panzern um. Wir werden auf die einäugigen Friedenskrieger zurückkommen: Red nicht, bilde, zag nicht, gehe. Und noch ein Verslein aus dem Gedicht:


Aber Buben gleich habt ihr geschlafen,
lange, nur nicht so gesund.
Die Revolution fuhr auf Grund,
und das mitten im Hafen.


Das war anno 1956 an die kommandierenden Stalinisten adressiert und blieb bis 1989 gültig, was für die seither vergangenen Jahre auch für jene Bürgerrechtler gilt, die immer weniger Bürger und immer grenzüber­schreitender wurden, denn ihr Pazifismus war eine Eintagsfliege.


Im Jahr 1974 tagte in Frankfurt/Main der Kongress vernünftiger schreiben – reform der rechtschreibung, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Verband deutscher Schriftsteller und unser PEN-Zentrum aufriefen. Ich war für die »Kleinschreibung«, hielt eine leicht skeptisch-spöttische Rede und freute mich wie ein Schneekönig, als das bald veröffentlichte Taschenbuch mit den Protokollen der Tagung auf der Rückseite Sätze von Heinrich Böll und mir abdruckte. Ein kritischer Katholik und ein Ungläubiger Seite an Seite. Allerdings berichtete die Frankfurter Rundschau sogleich vom »Widerstand gegen die enteignung der großbuchstaben« – wohlgemerkt kleingeschrieben, es gab ein Foto, das den Suhrkamp-Verleger Unseld und mich recht vereist nebeneinander sitzend zeigte. Noch vereister blickten Unseld und ich auf einem Bild im Großformat drein und hinter uns hielt der mächtige GEW-Vorsitzende Frister mit steinerner Miene Wache, wobei es schien, als klopfe er Unseld gegen die Schläfe. Der Verleger fürchtete wohl den Zwang, alle seine Bücher neu drucken zu müssen, wie die rechtschreibereform androhte, während ich wie die Engländer einfach kleinschreiben wollte, ein Blatt folgerte scharfsinnig, ich hätte etwas gegen die Großschreibung, weil ich ja auch gegen die Großbourgeoisie sei. Alles in allem agierten wir wohl zu arglos, denn die reform missriet auf der ganzen Linie und benötigte auch dazu noch Jahrzehnte. Irgendwann riss mir der Geduldsfaden und ich verabschiedete mich aus dem Desaster mit diesen Strophen:


Deutsche Sprachregelungen

Die Deutschen lieben ihre Sprache so
sehr, dass sie sie vor Gericht bringen.
Erst war das Vaterland geteilt, nun
soll das „st“ der Muttersprache
geteilt werden können statt vereinigt.

Und Känguruh ohne h und Schiffahrt
mit drei f – also: fff. Und die Kommata
im vereinfachten Regelwerk, also noch
viel komplizierter, wie es das Schicksal
deutscher Reformen so will.

Fleißig üben die braven Kinder nach
neuen wie alten Regeln. Die Lehrer
transportieren zentnerweise verschiedene
Lehrbücher, in denen der Sprachkrieg
tobt: Schlecht Ding will Weile haben.

Minister tagen. Der Kanzler ist baff.
In den Kanzleien der Bundesländer
schwillt Staatssekretären der Kamm.
Tapfer demonstrieren sprachgetreue Eltern
für die Grammatik. Und gegen sie.

Begeistert applaudiert das anwachsende
Heer diplomierter Analphabeten den
germanischen Gladiatoren. PC-Divisionen
erfinden ihr eigenes Deutsch. Aus den
elektronischen Medien quillt der

Ständige Blutstrom verwundeter Worte.
Da stöhnen die Sätze und die Bücher machen
sich vor lauter Angst ganz klein. Nur
die aus spätem Tiefschlaf erwachten
Dichter der Nation schreien wütend auf:

ENDLICH HABEN SIE ETWAS ZU SAGEN. Die
Naturwissenschaftler aber sind es zuf-
rieden. Gut war unsere Berufswahl, rufen
sie einander zu. Fest stehen in der Mathematik
die Regeln, jeder weiß: zweimal zwei ist fünf.

(Anmerkung für den Setzer:
Bitte beachte er die ganz besonders vornehme Teilungsart bei ›zufrieden‹)


Was aus dem Chaos letzten Endes resultierte, beachtete ich bald nicht mehr. Im Land der misslungenen Revolutionen teilen Reformen deren Schicksal. Immerhin war im stern vom 12.8.2004 resumierend noch zu lesen: »Übrigens habe es auch namhafte Literaten gegeben, die für eine Rechtschreibreform waren. So hätten sich zum Beispiel Heinrich Böll und Gerhard Zwerenz bereits 1973 auf dem vom PEN Zentrum einberufenen Kongress ›Vernünftiger schreiben‹ für eine Reform ausgesprochen. Und eines sei heute bei allen Umfragen zum Thema ganz klar zu sehen: Die Jungen sind mehrheitlich für eine Reform, die Alten dagegen!«

Es ist ganz angenehm, wird man als uralter Knabe den Jungen zugerechnet.

Zwerenz, Holtzbrinck
Zwerenz, Holtzbrinck

Es war Mitte der siebziger Jahre auf der Frankfurter Buchmesse, als ich in der Koje des S. Fischer Verlags den Besuchern zu meinem Roman Die Quadriga des Mischa Wolf Rede und Antwort stand und der mächtige Verleger und Konzernherr Holtzbrinck nicht von meiner Seite wich. Ich hatte ihn vorher nicht gesehen und sah ihn auch danach nicht wieder. Zwar fand ich den soignierten Herrn angenehm, doch dass er stundenlang als ständiger Messebegleiter dicht an meiner Seite blieb, schien mir doch etwas übertrieben. Oder brach ein neues Zeitalter enger Gemeinsamkeit von Großverleger und Autor an?

Später wurde mir zugetragen, auf einer RAF-Liste war der Konzernherr als Ziel von Entführung oder Anschlag vermerkt. Geheimdienst-Götter hatten ihn gewarnt. Die Nähe zu mir sollte dem Bedrohten wegen meines Rufes als linker Schriftsteller Schutz bieten. Unwissentlich war ich als Bodyguard benutzt worden. Hätte man mir gesagt, worum es ging, wäre ich selbstverständlich dazu bereit gewesen. Das Verschweigen fand ich unanständig. So verließ ich den Verlag, bei dem ich mich über mehrere Jahre und Bücher hin wohlgefühlt hatte. Die Worte von Wolfgang Neuss, der mich einen vagabundierenden Humoristen nannte, erwiesen sich in mehrfacher Hinsicht als zutreffend. Das dritte Auge sieht schärfer. Doch das ist schon eine andere Geschichte.

*

Eben war das letzte Wort dieser 18. Folge auf der Festplatte, da meldet SPIEGEL ONLINE, die Bundesanwaltschaft hob das Todesurteil gegen Marinus van der Lubbe auf. Wer den Reichstag anzündete, bleibt nach wie vor unklar. Hervorgehoben wird die Erklärung des kommunistischen Widerstands­kämpfers, »er habe die deutsche Arbeiterschaft zum Widerstand gegen die Machtergreifung der Nazis« aufrufen wollen. Das ist ja gründlich daneben gegangen.
(Näheres dazu in Folge 9 dieser Serie: Van der Lubbe und die Folgen)

Am Montag, den 21. Januar 2008, erscheint das nächste Kapitel.

Gerhard Zwerenz   14.01.2008

Gerhard Zwerenz
Serie
  1. Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
  2. Wird Sachsen bald chinesisch?
  3. Blick zurück und nach vorn
  4. Die große Sachsen-Koalition
  5. Von Milbradt zu Ernst Jünger
  6. Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
  7. Reise nach dem verlorenen Ich
  8. Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
  9. Van der Lubbe und die Folgen
  10. Unser Schulfreund Karl May
  11. Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
  12. Die Westflucht ostwärts
  13. Der Sänger, der nicht mehr singt
  14. Ich kenne nur
    Karl May und Hegel
  15. Mein Leben als Prophet
  16. Frühe Liebe mit Trauerflor
  17. Der Schatten Leo Bauers
  18. Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
  19. Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
  20. Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
  21. Tanz in die zweifache Existenz
  22. General Hammersteins Schweigen
  23. Die Pleiße war mein Mississippi
  24. Im Osten verzwergt und verhunzt?
  25. Uwe Johnson geheimdienstlich
  26. Was fürchtete Uwe Johnson
  27. Frühling Zoo Buchmesse
  28. Die goldenen Leipziger Jahre
  29. Das Poeten-Projekt
  30. Der Sachsenschlag und die Folgen
  31. Blick zurück auf Wohlgesinnte
  32. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
  33. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
  34. Brief mit Vorspann an Erich Loest
  35. Briefwechsel mit der Welt der Literatur
  36. Die offene Wunde der Welt der Literatur
  37. Leipzig – wir kommen
  38. Terror im Systemvergleich
  39. Rachegesang und Kafkas Prophetismus
  40. Die Nostalgie der 70er Jahre
  41. Pauliner Kirche und letzte Helden
  42. Das Kickers-Abenteuer
  43. Unser Feind, die Druckwelle
  44. Samisdat in postkulturellen Zeiten
  45. So trat ich meinen Liebesdienst an …
  46. Mein Ausstieg in den Himmel
  47. Schraubenzieher im Feuchtgebiet
  48. Der Fall Filip Müller
  49. Contra und pro Genossen
  50. Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
  51. Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
  52. Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
  53. Als Atheist in Fulda
  54. Parade der Wiedergänger
  55. Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
  56. Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
  57. Fragen an einen Totalitarismusforscher
  58. Meine fünf Lektionen
  59. Playmobilmachung von Harald Schmidt
  60. Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
  61. Denkfabrik am Pleißenstrand
  62. Rendezvous beim Kriegsjuristen
  63. Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
  64. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
  65. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
  66. Der Bunker ...
  67. Helmut auf allen Kanälen
  68. Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
  69. Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
  70. Die Sächsischen Freiheiten
  71. Zwischen Genossen und Werwölfen
  72. Zur Geschichte meiner Gedichte
  73. Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
  74. Der Dritte Weg als Ausweg
  75. Unendliche Wende
  76. Drei Liebesgrüße für Marcel
  77. Wir lagen vor Monte Cassino
  78. Die zweifache Lust
  79. Hacks Haffner Ulbricht Tillich
  80. Mein Leben als Doppelagent
  81. Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
  82. Vom Langen Marsch zum 3. Weg
  83. Die Differenz zwischen links und rechts
  84. Wo liegt Bad Gablenz?
  85. Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
  86. Der 3. Weg eines Auslandssachsen
  87. Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
  88. Am Anfang war das Gedicht
  89. Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
  90. Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
  91. Im Hotel Folterhochschule
  92. Brief an Ernst Bloch im Himmel
  93. Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
  94. Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
  95. 94/95 Doppelserie
  96. FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
  97. Rainer Werner Fassbinder ...
  98. Zähne zusammen­beißen ...
  99. Das Unvergessene im Blick
    1. Nachwort
Nachworte
  1. Nachwort
    siehe Folge 99
  2. Auf den Spuren des
    Günter Wallraff
  3. Online-Abenteuer mit Buch und Netz
  4. Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
  5. Die Leipziger Denkschule
  6. Idylle mit Wutanfall
  7. Die digitalisierte Freiheit der Elite
  8. Der Krieg als Badekur?
  9. Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
  10. Alter Sack antwortet jungem Sack
  11. Vor uns diverse Endkämpfe
  12. Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
  13. Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
  14. Kampf der Deserteure
  15. Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
  16. Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
  17. Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
  18. Was zum Teufel sind Blochianer?
  19. Affentanz um die 11. Feuerbach-These
  20. Geschichten vom Geist als Stimmvieh
  21. Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
  22. Trotz – Trotzalledem – Trotzki
  23. Der 3. Weg ist kein Mittelweg
  24. Matroschka –
    Die Mama in der Mama
  25. Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
  26. Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
  27. Jan Robert Bloch –
    der Sohn, der aus der Kälte kam
  28. Das Buch, der Tod und der Widerspruch
  29. Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
  30. Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
  31. Hölle angebohrt. Teufel raus?
  32. Zwischen Heym + Gauck
  33. Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
  34. Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
  35. Die Philosophenschlacht von Leipzig
  36. Dekonstruktion oder Das Ende der Ver­spä­tung ist das Ende
  37. Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
  38. Meine Weltbühne im poetenladen
  39. Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
  40. Die Internationale der Postmarxisten
  41. Dies hier war Deutschland
  42. Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
  43. Einiges Land oder wem die Rache gehört
  44. Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
  45. Macht ist ein Kriegszustand
  46. Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
  47. Damals, als ich als Boccaccio ging …
  48. Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
  49. Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
  50. Leipzig am Meer 2013
  51. Scheintote, Untote und Überlebende
  52. Die DDR musste nicht untergehen (1)
  53. Die DDR musste nicht untergehen (2)
  54. Ein Orden fürs Morden
  55. Welche Revolution darfs denn sein?
  56. Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
  57. Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
  58. Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
  59. Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
  60. Die heimatlose Linke (I)
    Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
  61. Die heimatlose Linke (II)
    Ein Zwischenruf
  62. Die heimatlose Linke (III)
    Wer ist Opfer, wer Täter ...
  63. Die heimatlose Linke (IV)
    In der permanenten Revolte
  64. Wir gründen den Club der
    heimatlosen Linken
  65. Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
  66. Links im Land der SS-Ober­sturm­bann­führer
  67. Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
  68. Leipzig. Kopfbahnhof
  69. Ordentlicher Dialog im Chaos
  70. Büchner und Nietzsche und wir
  71. Mit Brecht in Karthago ...
  72. Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
  73. Die Suche nach dem anderen Marx
  74. Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
  75. Vom Krieg unserer (eurer) Väter
  76. Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
  77. Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
  78. Die Heldensöhne der Urkatastrophe
  79. Die Autobiographie zwischen
    Schein und Sein
  80. Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
  81. Atlantis sendet online
  82. Zur Philosophie des Krieges
  83. Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
  84. Der Prominentenstadl in der Krise
  85. Der Blick von unten nach oben
  86. Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
  87. Vom Krieg gegen die Pazifisten
  88. Keine Lust aufs Rentnerdasein
  89. Von der Beschneidung bis zur
    begeh­baren Prostata
  90. Friede den Landesverrätern
    Augstein und Harich
  91. Klarstellung 1 – Der Konflikt um
    Marx und Bloch
  92. Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philo­sophie und Verbrechen
  93. Der Kampf ums Buch
  94. Und trotzdem: Ex oriente lux
  95. Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
  96. Der liebe Tod – Was können wir wissen?
  97. Lacht euren Herren ins Gesicht ...
  98. Die Blochianer kommen in Tanzschritten
  99. Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz