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Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner lite­rarischer Gedenks­teine in Form eines Gedichtes jüngst ver­stor­bener Dichter, über­wiegend fremd­sprachiger, aber auch deutsch­sprachiger. Aus­gangs­punkt sind unter ande­rem aktuelle Todes­mel­dungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.

Liste der Stelen   ↓

 

Javier Galarza
(Buenos Aires 1968 – ebenda 2022)


Fragmente eines unmöglichen Gedichts

  Alberto Galarza, in memoriam

die Augen brennend vor Verwaisung heute ist es meine

Vater du kommst zurück nach Hause
Vater ich komme zurück

Vater was hast du uns mitgebracht

als Kind hatte ich Angst dich allein und verloren zu sehen
heute dass ich allein und verloren bin

wer bin ich Vater rilkean heart des hl. Franz von
Asisi selbst dein Sohn mit einem wilden Herzen

ich muss dich beim Namen nennen um zu lernen dich zu verlieren
ich muss dich beim Namen nennen um zu lernen dich zu gewinnen

meine Grenzen suche ich immer noch
was ermüdete uns das Nicht-Sagen
was ermüdete uns das Nicht-Sprechen

seit als Mann du heute nicht hier bist
trage ich in meinen Armen schwer an dem Kind das du warst

in wem spreche ich wenn du stumm bist
Vater mit der unleserlichen Farbe deiner Augen

Aus dem argentinischen Spanisch übersetzt von Geraldine Gutierrez-Wienken und Hans Thill. Aus: El silencio continente, 2008

 

»Solange wir dem Tod versprochen sind, was kein großes Problem darstellt, wird jede Heilung nur vorübergehend sein. Ich kann also bestätigen, dass das Schreiben Bewegungen erzeugt. Es ist notwendig, sich an diesen medullären Ort zu begeben, wo die Produktion an etwas Konstitutives rührt, damit wir zu uns zurückfinden oder uns verkennen und, warum nicht, um uns neue Wege zu eröffnen.«
Javier Galarza

 

Javier Galarza wurde 1968 in Buenos Aires geboren und gab als Dozent Kurse über Hölderlin, Rilke und Paul Celan sowie Schreibworkshops an verschiedenen argentinischen Institutionen. Zu seinen frühesten Publikationen zählen die Gedichtbände El silencio continente (2008) und Reversión (2010). Gemeinsam mit Leonardo Leibson und María Magdalena veröffentliche er essayistischen Texte wie La perfecta desnudez (2018). Zu einen letzter Arbeiten gehört der Essayband La Religión Hölderlin, der postum erschien. Javier Galarza starb im Juli 2022 im Alter von 54 Jahren in Buenos Aires.

 

26.09.2022