Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Gisela Kraft
(Berlin 1936 – Bad Berka 2010)
nach sappho
heute hab ich den ganzen tag nur dein bett gemacht
hab ginster geschüttelt und oleander gebügelt
die mühlen mit frischem segel bezogen damit sie
dich fächeln
wenn du müde zurückkommst vom bergeversetzen
der mond ist zur seite gedreht der mars glimmt ruhig
nun lieg ich und schlag mich mit mücken auf
schmaler matratze
»Gisela Kraft, die große, schwere, blonde Frau, konnte laut werden, sang eigne und fremde Gedichte auf Wunsch und hatte ein fast untrügliches Gespür für Qualität. Sie war harmoniebedürftig und manchmal unversöhnlich. Viele hatten es mit ihr nicht leicht, aber man konnte leicht und angenehm mit ihr plaudern. Sie war voll Wissen und so tolerant, wie ältere Frauen nicht immer sind.«
Matthias Biskupek
Gisela Kraft wurde am 28. Juni 1936 in Berlin geboren und starb am 5. Januar 2010 in Bad Berka (Thüringen). Sie wuchs in Berlin auf und war von 1960 bis 1972 an verschiedenen Theatern tätig, ehe sie ein Studium der Islamwissenschaft absolvierte. 1984 siedelte sie nach Ost-Berlin über und lebte seit 1997 in Weimar.
Gisela Kraft trat vor allem auch als Übersetzerin aus dem Türkischen hervor und erhielt für ihre Nachdichtungen den Weimar-Preis und den Christoph-Martin-Wieland-Preis.
Druckansicht Seite empfehlen 09.04.2011