americana@poetenladen
Eine Reihe zur US-amerikanischen Lyrik
Herausgegeben von Annette Kühn & Christian Lux
Rae Armantrout
Scumble
What if I were turned on by seemingly innocent words such as “scumble,” “pinky,”
or “extrapolate?”
What if I maneuvered the conversation in the hope that others would pronounce
these words?
Perhaps the excitement would come from the way the other person touched them
lightly and carelessly with his tongue.
What if “of” were such a hot button?
“Scumble of bushes.”
What if there were a hidden pleasure
in calling one thing
by another’s name?
Schummern
Angenommen, mich törnen scheinbar unschuldige Wörter an wie „schummern“, „pink“, oder „extrapolieren“.
Angenommen, ich steuere Gespräche so, dass andere diese Wörter sagen?
Womöglich läge der Reiz in der Art und Weise, wie andere sie ganz leicht, fast beiläufig nur mit der Zunge berühren.
Angenommen die Kombination „wie von“ wäre so ein Kitzler?
„Schummern wie von Gebüsch“.
Angenommen, die geheime Lust
läge darin, das eine
beim Namen des anderen zu nennen?
Übersetzung: Matthias Göritz und Uda Strätling. Aus: Narrativ, luxbooks 2009
Rae Armantrout (* 1947)
Die in Vallejo, Kalifornien geborene Rae Armantrout ist eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Language School. Armantrout studierte in Berkley bei Denise Levertov und lehrt heute als Professorin für Literatur an der University of California in San Diego.
Ihre Zugehörigkeit zur Language School muss aufgrund der zahlreichen Abweichungen als lose bezeichnet werden. Ihre Poetik ist sinnlicher, lyrischer – im traditionellen Verständnis des Begriffs – als die eher intellektuellen, zuweilen trockenen Experimente ihrer Kollegen. Mitte der 70er Jahre freundete sie sich mit den Language-Poets Ron Silliman, Lyn Hejinian, Bob Perelman, Charles Bernstrein, Susan Howe an. Silliman selbst stellt sie in Tradition mit Emily Dickinson und William Carlos Williams und betont – wenn auch wohlmeinend – die Distanz zu ihm selbst wie auch die zu den üblicherweise als Vorreitern der Language Poets angesehenen Charles Olson, Denise Levertov und Lorine Niedecker.
Armantrout bezieht ihre Inspiration zum einen aus ihren Kindheitserfahrungen, ihrer von ihr als belastend empfundenen religiösen Erziehung, auch aus Versatzstücken aus Märchenwelten und zum anderen aus den medialen Strömen: Popkultur wie wissenschaftliche Lektüre, Werbeslogans wie Alltagsgegenstände werden von ihr versammelt und fließen in ihre Gedichte. Im Unterschied zu Frank O’Hara jedoch, der seine Gedichte auf Servietten im Alltagsgeschehen schrieb und – so die Legende – zumeist nie wieder ansah, wird von Armantrout berichtet, dass sie über Wochen, Montate und Jahre hinweg an ihren Gedichten weiterarbeitet. Ihr Werk ist häufig anthologisiert worden, u.a. in der wegweisenden Language-School-Zwischenbilanz Sillimans „In the American Tree“, eine frühe umfangreiche Versammlung der wichtigsten Lyriker der Language Poets. Von John Ashbery (1988), Robert Hass (2001), Lyn Hejinian (2004) und von Heather McHugh (2007) wurde sie in die einflussreiche, jährlich erscheinende Anthologie „The Best American Poetry“ aufgenommen. Ihre Gedichte erscheinen zudem in „Poetry“, dem angesehensten Zentralorgan us-amerikanischer Dichtung, im New Yorker. Ihr Band „Next Life“ wurde von der New York Times zu den 100 wichtigsten Büchern 2007 gezählt, eine Liste, auf der traditionell nur wenig Lyriksammlungen auftauchen.
Lyrik
Extremities, 1978 – The Invention of Hunger, 1979 – Precedence, 1985 – Necromance, 1991 – Couverture, 1991 – Made to Seem, 1995 – Veil: New and Selected Poems, 2001 – The Pretext, 2001 – Up to Speed, 2004 – Next Life, 2007
Übersetzungen
Narrativ. Ausgewählte Gedichte, übersetzt von Uda Strätling und Matthias Göritz, luxbooks 2009
Literatur
Beckett, Tom (Hg.): A Wild Salience: The Writing of Rae Armantrout, 2000
23.10.2009