americana@poetenladen
Eine Reihe zur US-amerikanischen Lyrik
Herausgegeben von Annette Kühn & Christian Lux
Laura Kasischke
After Ken Burns
The beautiful plate I cracked in half as I wrapped it in tissue paper—
as if the worship of a thing might be the thing that breaks it.
This river, which is life, which is wayfaring. This river,
which is also sky. This dipper, full of mind, which is
not only the hysterical giggling of girls, but the trembling
of the elderly. Not only
the scales, beaks, and teeth of creatures, but also
their imaginative names (
elephant, peacock) and their
love of one another, the excited
preparations they sometimes make
for their own deaths.
It is as if some graceful goddess, wandering in the dark, desperate
with thirst, bent down and dropped that dipper
clumsily in this river. It floated away.
Consciousness, memory, sensory
information, the historians and their glorious war …
The pineal gland, tiny pinecone in the forehead, our third eye:
Of course
it will happen here. No doubt. Someday, here,
in this little house,
they will lay the wounded side by side. The blood
will run into the basement through the boards. Their ghosts are
already here, along
with the cracked plate wrapped in old paper in the attic,
and the woman who will turn one day at the window to see
a long strange line of vehicles traveling slowly toward her door, which
she opens (what choice does she have?) although she has not yet
been born.
Erstveröffentlichung in Poetry, Oktober 2008. © Laura Kasiscke
Nach Ken Burns
Dieser schöne Teller, er zerbrach in zwei Teile, als ich ihn in Seidenpapier packte –
so als wäre die Fürsorge für etwas das, was dieses Etwas kaputt macht.
Dieser Fluss, der Leben ist, der Wandern ist. Dieser Fluss,
der auch Himmel ist. Diese Kelle gefüllt mit Psyche, die
nicht nur das Gekicher von Mädchen ist, hysterisch, sondern
auch das Zittern derer, die älter. Nicht nur
die Schuppen, Schnäbel und Zähne von Lebewesen, sondern auch
ihre bildhaften Namen (
Elefant,
Pfau) und ihre
Liebe zueinander, die umständlichen
Vorbereitungen, die sie dann und wann treffen
für den eigenen Tod.
Es ist, ob eine anmutige Gottheit, durch die Nacht irrend, vor Durst
verzweifelt, sich bückte und die Kelle aus Versehen
in diesen Fluss fallen ließ. Sie trieb davon.
Bewusstsein, Gedächtnis, die Reize
der Sinne, die Historiker und ihr glorreicher Krieg …
Die Epiphyse, winziger Zapfen an der Vierhügelplatte, unser drittes Auge;
Ganz klar –
es wird hier passieren. Kein Zweifel. Irgendwann, hier
in diesem kleinen Haus
wird man die Verwundeten nebeneinander legen. Das Blut
wird durch die Dielen ins Untergeschoss fließen. Ihre Geister sind
bereits hier, auf dem Dachboden
zusammen mit dem kaputten, in altes Papier gewickelten Teller
und der Frau, die sich eines Tages am Fenster vorbeugen wird, um
die lange seltsame Karawane zu sehen, Fahrzeuge, die sich ihr langsam nähern
und denen sie öffnet (welche Wahl hätte sie denn?), obwohl sie noch
gar nicht geboren ist.
Übersetzt von Ron Winkler
Laura Kasischke (*1961)
Die 1961 geborene Laura Kasischke hat sieben Lyrikbände und sieben Romane veröffentlicht. Zu ihren Auszeichnungen gehören mehrere Pushcart Preise, der Juniper Prize sowie Stipendien des National Endowment for the Arts. Ihr Roman The Life Before Her Eyes wurde 2007 von Vadim Perelman verfilmt. Besonderen Erfolg haben ihre Romane in Frankreich. Sie lehrt an der University of Michigan und lebt mit ihrer Familie in Chelsea.
Werke
Lyrik: Wild Brides, 1992 – Housekeeping in a Dream, 1995 – Fire & Flower, 1998 – What It Wasn't, 2002 – Dance and Disappear, 2002 – Gardening in the Dark, 2004 – Lilies Without, 2007
Romane: Suspicious River, 1997 – White Bird in a Blizzard, 1999 – The Life Before Her Eyes, 2002 – Be Mine, 2007 – Feathered, 2008 – In a Perfect World, 2009
Übersetzungen:
Fatale Berührung (Suspicious River), 1997
Audio Interview und Lesung
10.12.2009