Dieter M. Gräf
DER NACKTE GINSBERG
ist auf das Feuerleiter-Z geklettert,
zeigt denen, die unter ihm wohnen:
Ich habe Gott gesehen! Immer
noch dort, auf der Höhe eines
niederen Seraphim, ungefähr
in der Sphäre der sechs Gesims
engel des Bayardbuildings;
ihre weit ausgebreiteten Arme,
als würden alle gemeinsam
herunterspringen. Altmodisch
ist die Stadt geworden,
spätestens seit die Fedayin-Piloten
ihre Filme echteten, toppten,
seit das 21. Jahrhundert sein Colosseum
reinschlug als Grube, Nichts.
Die Entkommenden sahen
aus wie ein Stamm.
Sonne, Mond und Sterne
sind nach wie vor Wolkenkratzer,
und auf denen, die den nackten Ginsberg
beherbergen, wachsen Bäume.
Selbst gewaltigere spenden farbiges Licht.
Solche Gebirge, nebelverhangen,
und aus den Gullys der Schluchten
steigt Dampf, in die Madison Ave.,
in die Fifth Avenue. Donald Trump
verkündet, die Twin Towers nach
bauen zu wollen, höher! Derweil
in einem Shabu Shabu Restaurant
sitzen, am Haus von Edgar Allen Poe
der berittenen Polizei zusehen.
John Lennon ist tot. Das verstehen
wir alle, unter und über den Wassertanks.
Aus: Buch Vier, Frankfurter Verlagsanstalt 2008
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Dieter M. Gräf
Lyrik
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