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Tom Nolan
Auf der Heimfahrt

 

Der Höhenzug im Westen, der im Regen fast verschwand,
Das Schaltungs-Klacken, das im sturen Niederschlag erklang,
Die Straße, immerzu vorbei an überschwemmtem Land –
Erleichterten mir dieses bittere Gespräch nicht lang,
Vom Freund, den wir zum ersten Mal seit Jahren nun erwähnen.
Das Wasser auf der Windschutzscheibe war mir nah wie Tränen.

Denn ich erinnerte mich plötzlich deutlich und genau:
Ein Körper, der die Jahre sprengt, ein Eimer blondes Haar,
Ein endomorpher Wabbel, seine Haut war grantig, rauh –
Vor allem das Gefühl, daß etwas in den starren Augen war,
Das schon nach all dem Adventiven edler Schlaffheit strebte.
Ich ahnte davon wenig, du warsts, der es miterlebte.

Ich hatte weder Mitgefühl mit seinem Lotterleben,
Noch fand ich die Bedrohung, die er war, je interessant,
Er gierte nicht nach mir, er hatte dir sich hingegeben
Und folgte jedem deiner Schritte, bis dein Anstand schwand.
Trotzdem war vieles, was du jetzt erzähltest, mir längst klar.
Mir war bewußt, daß viel von mir nun auch erklärbar war.

Zu gut verstand ich seine hemmungslose Schändlichkeit,
Den Rückfluß seines Ärgers und den Sodbrand seiner Lust,
Den Hunger, immer hetzende Unstillbarkeit,
Der nie zur Ruhe kommt; der hat von Ekel nichts gewußt:
Ich wollte ihn verbannen wie den Geist, der mich bekennt,
Doch roch es da nach meinem Samen, meinem Exkrement.

Mit der gespielten Stumpfheit aller selbstverliebten Jungen
Blieb ich für seine Drohung taub, und blind für seinen Gruß.
Jetzt bin ich alt, und er ist tot und hat mich doch durchdrungen,
Er ist so dringlich in mir, daß ich es erkennen muß:
Er hat mich tief erniedrigt, alles Leugnen scheitert schwach.
Sein Dunkel wird vor meinem Auge wieder lebhaft wach.

Spürst du das immer noch, hast du je so etwas gekannt:
Das Gift der Krankheit, die sich eine Freundesseele sucht,
Dann aller Skrupel spottet, ihre Willenskraft verbannt,
Das Heiligtum des Geistes als ihr Eigentum verbucht?
Ich habe das wohl angedeutet, aber wollte dir
Aus Angst nicht sagen: Solche Niedrigkeiten teilten wir.

Ich nahm das, was nicht überraschen konnte, in den Blick:
Sein Räubern war zum Lachen, seine Bosheit war banal,
Wenn er den Starken gab, war das ein eingeübter Trick;
Die ‚armen Opfer', deren Unschuld er verächtlich stahl,
Sind heute Ehrenmänner, sorgende Familienväter,
Die lachen oder schweigen über diesen Missetäter.

Und dabei blieb es. Weniger gewaltsam war der Regen,
Die Straße wandte sich landeinwärts, Sträuchern folgten Bäume.
Da wir nach Süden fuhren, spürten wir schon auf den Wegen
Die sicher kommende Umarmung heimatlicher Räume,
Die uns im Lauf des Nachmittages zu uns kommen ließ,
Da er noch in uns war und tat, als ob er uns verließ.

Übersetzung: Christophe Fricker

Tom Nolan    10.05.2009
 

Tom Nolan
Lyrik