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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte

Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Folge 64

Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.

64

Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)

Torsten Lemmer | Rechts raus
Torsten Lemmer
Rechts raus
Mein Ausstieg aus der Szene
Das Neue Berlin 2004
Torsten Lemmer war mir unbekannt bis zum 13.10.1992, als ich bei RTL auf dem so­genannten Heißen Stuhl saß und den berüchtigten Neonazi hautnah erlebte. Ich fand auch zwei der mitdiskutierenden Politiker schlimm, am schlimmsten den Berliner CDU-Mann Heinrich Lummer. Es waren die Jahre nach 1990, als radikale Jung-Rechte in den beigetretenen Gebieten auf unheimlich starken Zuspruch trafen. Die SED war weg, die Bourgeoisie nicht mehr oder noch nicht wieder vorhanden, die Jugendkultur formte sich unter West-Regie zum Stahlhelm-Gesangverein. Fast täglich gab es gewalttätige Angriffe auf Ausländer bis hin zu Totschlag und Mord. Kopflos grölende Idioten suchten sich zu vereinigen wie die Parteien CDU/SPD/FDP – lauter Stimmenschnäppchenjäger.
Lemmers Truppe empfing mich zur Sendung mit Gebrüll. Meine These Es gibt schon wieder zu viele Nazis in Deutschland provozierte sie aufs äußerste. Der Moderator Olaf Kracht zitierte aus dem Liederschatz von Störkraft: „Blut und Ehre rettet unsre Rasse“. Der Sänger Jörg Petritsch sollte das erläutern und stammelte erbärmlich. Auf diesen groben Klotz gehörte ein grober Keil: „Jemand, der mit Sprache umgeht“, sagte ich, „und dann noch stolz darauf ist, Deutscher zu sein, sollte wenigstens eine entfernte Ahnung von deutscher Sprache und Literatur haben und nicht einen solchen Scheißdreck schreiben, das ist doch ranziger Nazismus. Ihr braucht gar keinen Hitler, ihr seid ja selber kleine Hitler.“ Band-Manager Lemmer bemühte sich, seinem Sänger beizuspringen und formulierte immerhin einige zusammenhängende Sätze. In seinen auto­bio­graphi­schen Aufzeichnungen schildert er die Szene in Kurzform, besonders beeindruckt durch das von mir verwendete Wort Scheißdreck. Nach meinem Wutausbruch bot ich noch während der laufenden Sendung bei nächster Gelegenheit ein Gespräch mit ihm und den um ihn versammelten Neonazis an, „Ja“, sagte er, „machen wir doch.“ Er hockte da inmitten seiner Glatzen, die auf meine Attacke hin randalierten, herumfuchtelten und fortwährend Zeter und Mordio schrien mit dem Erfolg, dass Hellmuth Karasek, der meine These von den zu vielen Nazis in Deutschland als übertrieben eingeschätzt hatte, mir nun zustimmte. Als vormaliger Napola-Schüler war er ein gebranntes Kind.
Am Ende der hektisch und hochtourig verlaufenden Diskussion rückten mir aufgeregte Neonazis bedrohlich nahe, Lemmer war nicht darunter. Wochen darauf besuchte ich ihn im Düsseldorfer Rathaus. Als ich mich beim Pförtner nach dem Weg zum Büro der rechten Fraktion erkundigte, erntete ich Erstaunen und Unmut. Lemmer wollte es gar nicht glauben, als da einer wie versprochen vor ihm auftauchte. Ich überstand als Infanterist die Schlachten von Monte Cassino, weshalb sollte ich vor Leuten wie Ihnen Angst haben? So ungefähr erläuterte ich, wie mir zumute war. Außerdem erinnerte ich mich, dass mein Freund Erich Fried es über sich gebracht hatte, den im Gefängnis einsitzenden Neonazi Michael Kühnen – eine seiner Parolen lautete: (Herbert Wehner, Willy Brandt, Volksverräter an die Wand!) – in der Zelle aufzusuchen. Zwischen dem Mordhetzer Kühnen und Lemmer gab es nun doch Unterschiede.

Weil ich in die DDR bis zu deren Ende nicht einreisen durfte, fuhr ich jetzt oft ostwärts und beobachtete die Erfolge der Jungnazis mit Grausen. In Lemmer hatte ich nun einen vor mir, der in Ost wie West zu ihren Führern zählte. Wo lagen die Ursachen dafür?
Lemmer kommt aus einem keineswegs auffälligen Milieu, der Vater Meister und Betriebsleiter, die Mutter Friseurin und Hausfrau. Der ältere Bruder schämt sich des rechten jüngeren, ändert sogar seinen Namen in Lämmer, um nicht in Verbindung mit dem braunen Schaf der Familie genannt zu werden. Zwischen Torsten Lemmers Bekenntnis „Ich hatte eine wunder­schöne Kindheit“ und dem Satz 17 Zeilen weiter „Regelrecht verschlungen habe ich die Landser-Hefte“ klafft eine psychologische und logische Lücke. Oder es reicht aus, wenn erklärt wird, die Vorliebe für Kriegs­schwarten und Ritter­kreuzträger erbrachte die Aufmerksamkeit, nach der er gierte. Weiter: „Schon früh entwickelte ich einen Hang zur Rebellion.“ Mag sein, im rheinischen sozial-christ-demo­kratischen Minimilieu dreht Rebellentum im Uhrzeiger­sinn nach rechts. Musste auf die linke APO eine rechte folgen?
Die Auto­biographie des Aussteigers, unter welcher Flagge er segeln will, ist knapp gehalten, nicht ohne Witz und geprägt von fataler Schuld­losigkeit, die stellenweise sogar nachvollziehbar wirkt. Als der kleine Torsten lesen lernt, lernt er auch aufzufallen. Um diese Zeit waren linke Provokationen verbraucht, wer aber ein Hakenkreuz an die Wand malte, erregte die Welt. Ich unterlag einem ähnlichen Mechanismus. Als der Sänger von Störkraft in der RTL-Sendung seine dumpfen Naziblubber ertönen ließ, reagierte ich brachial und der neben ihm sitzende Band-Manager erstrahlte vor Freude. Dann schob ich mein Gesprächsangebot nach und sie alle sahen aus wie begossene Pudel. Lemmer erklärte kleinlaut, fast manierlich sein Einverständnis. Neonazismus entsteht offenbar auch aus pädagogischer Verwahrlosung. Falsches Bewusstsein von Erwachsenen geht den Jüngeren in seiner abtarnenden Dürftigkeit auf die Nerven. Sie suchen nach Vorbildern und fallen auf die doppelt verlogene Heldentümelei herein. Der junge Nazi wird so närrisch und stolz wie seine Ahnen. Die zivilisatorische Lücke entsteht, werden der jugendlichen Energie keine adäquaten Ziele geboten. Das übliche Umfeld stumpft ab, bevor es abschreckt und so findet der streunende und abenteuernde Knabe sein Maß bei Ritter- und Hakenkreuzlern samt geheimnisumwitterten Führerfiguren wie Rudolf Heß, dessen Grabstätte in Wunsiedel zum Wunderziel avanciert. Wundergläubig sind sie alle.
Wie die Faust aufs Auge passt zur deutschen Vereinigung Lemmers Satz: „Die Stimmung im Land war für uns.“ Die Medien im Land präsentierten gern originäre Nazis. Notfalls halfen Inszenierungen nach. Die Bonner Republik war selbst rechts genug inszeniert. Der CDU-Bundes­tags­abgeordnete Herbert Czaja interes­sierte sich für Lemmer, der in die Gemeinschaft Junges Ostpreußen eintrat und den Vorträgen der Politprominenz von Dorothee Wilms bis Otto von Habsburg lauschte. Beim Deutschlandlied sangen Lemmer und Kumpane begeistert alle drei Strophen. So kam er zu den Republikanern und von dort zu eigenen Vereinen und immer ging's gegen Linke, die Antifa und Ausländer, Zigeuner, Schwule, Juden, Asylbewerber: „Denn der rechte Flächenbrand breitete sich schier unaufhaltsam aus ...“ das sagt der rechte Aufsteiger, als er bereits Bedenken spürt und den Weg zum Aussteiger einschlägt. Doch wie ernst ist das zu nehmen? Vor dem Versuch einer Antwort darauf müssen wir jenen Typus näher kennenlernen, den wir hier vor uns haben und der sich abhebt von der Masse klischierter Glatzen, blöder Bomberjackenträger und bestiefelter Skins. Nach dem Treffen mit Lemmer 1992 in Düsseldorf entwarf ich in einer kleinen Schrift die Szenerie des im deutschen Vereinigungsprozess auflebenden jugendlichen Nazismus, wobei einige Wesenszüge Lemmers als Grundlage für das Porträt nach­wach­sender Rechts­intellektueller dienten. Unter der Überschrift: „Rettungs­versuche“ schrieb ich:
Der junge Mann: Er ist zwanzig, ordentlich gekleidet, mit Vorliebe für Schwarz, die Frisur kurz gehalten, doch weniger Skin als eher Mamas Liebling, das Gesicht weich, mit Ansätzen zu Charakter, der Blick gesenkt, fast schuld­bewusst, dazwischen zuckt es auf, ein Anflug von Widerspruch, Versuch von Empörung, nur spurenhaft, fast als habe eine Respekts­person auf den Jungen eingewirkt, daran denkt er, bevor er aufbegehrt, so zivilisiert er sich wieder, wird brav, gibt auf höfliches Anfragen Bescheid, ja, er habe bei den jungen National­demokraten mitgemacht, sich getrennt, für Deutschland sei er trotzdem und noch immer, aber beileibe kein Nazi.
So gibt er Antwort, nett, leise, beherrscht, ein lieber Nationaler, der sich Leben und Karriere nicht versauen will und nur sein Land liebt. Der zehn Jahre ältere Bruder ist ein Grüner, die Familie sozial­demokratisch-bürgerlich; er fühlt, denkt, lebt rechts und anständig, sagt er mit leiser Stimme, als wär's ein Geständnis. Der Beobachter ist ratlos, weiß nicht, sitzt die zivile Ausgabe des Skinheads vor ihm, die Tarnfigur des neuen SA-Mannes, oder reicht das deutsche Spektrum wieder so vaterlandsumspannend weit, dass der Mantel der Volksseele alle umhüllt – von Horst WesseI bis Carl Schmitt, vom gestiefelten Sturmführer bis zu den geschniegelten Alfred Rosenberg und Joachim von Ribbentrop.
Aber sieht der geschichtsbewusste Beobachter nicht seine aus Erfahrung und Leid stammenden Ängste in den arglosen Nachwuchs hinein? Wird der neuen deutschen Rechten ein Unrecht zugefügt, weil die alte deutsche Rechte, als Keule benutzt, dazu dient, die rechten Jungen zu prügeln?
„Warum sind Sie rechts in einem Land, das von der Rechten ins Unglück geführt wurde?“ fragt der Beobachter den Jungen. Die Antwort ist dürftig, kommt stockend, bleibt im vagen Ausdruck von Gefühlen stecken.
Der junge Mann leidet ganz ehrlich an Deutschland. Fühlt sich „als Deutscher“ benachteiligt. Rechtlos im eigenen Vaterland. Sein „Stolz auf Deutschland“ resultiert aus Unsicherheit und einem bänglichen Unterlegenheitsgefühl. Eine Atmosphäre lang andauernder Einsamkeit deutet sich an. Ein Vereinzelter sitzt da auf dem Stuhl, einer, dem niemand half, keine Schule, Familie, Partei, Kirche. So fand er die vermisste Geborgenheit in rechten Gruppen unter Kameraden, wo sie gemeinsam von großer Vergangenheit und ihren Helden schwärmen können. Was offiziell verpönt ist, ihnen verdichtet sich's zur Walhalla ihrer Idole.
Das kriminelle Reich der Vergangenheit gemeindet sie gemächlich, doch unaufhaltsam als Rächer der verlorenen Ehre des Deutschen Reiches ein. Die Demokratie erleben sie so lustlos-abstoßend wie ihre Großväter Weimar erlebt haben. Den Bundestag in Bonn verachten sie, wie der junge Adolf H. das Wiener Parlament bewertete – als Schwatzbude. So wiederholt sich der nationale Ekel als nationalistische Hybris.
Nicht die randalierenden Radaubrüder sind die wirkliche Gefahr, die aus den Köpfen der romantischen Idealisten mit ihren offenbar ewigen vaterländischen Schmalztöpfen stammt. Soweit sie überhaupt noch Argumenten geneigt, für die Vernunft erreichbar sind, dürfen sie nicht aufgegeben, muss mit ihnen gesprochen, um sie geworben und gekämpft werden, als ginge es um die Errettung einer armen Seele.
Sollte alles vergeblich sein, hilft als letztes Mittel nur eine streng begrenzte Erziehungsdiktatur.

Das also war 1993 von mir so skizziert worden. Die Frage bleibt: Sind Neonazis resozialisier­bar? Hilft Repression? Wie ist ihren Anführern zu begegnen? Wie dem Typus des nachwachsenden Rechts­intellektuellen? Wer sich diesen Fragen mit dem Hochmut arroganter Besserwisserei zuwendet, hat schon verloren. Wer sie bagatellisiert, unterschätzt die stets aktuelle Wiederholungsanfälligkeit und die niedrige Abwehrschwelle des rechts­geneigten ­Rechtsstaates. Am 8.11.2000 beschloss das Bundes­kabinett, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag einzubringen, der die NPD für verfassungswidrig erklärte. Statt des Parteiverbots erwuchs daraus die Legitimierung der Partei:„ Die staatliche Exekutive selbst hatte sich über längere Zeit verfassungsfeindlich verhalten.“ (Richard Albrecht) Mit anderen Worten, das Gericht vermochte die zu verbietende Partei und die darin befindlichen geheimdienstlichen Staats-Agenten nicht zu unterscheiden. Seither schweigen die tapferen Innenminister zum Komplex ihrer Niederlage.
Scheiterten Schröder und Schily am Verbot der NPD, ist das politische Engagement des Einzelnen, der individuelle Ausstieg aus der ­rechts­extremen Szene gefragt.
Die Beschreibung dieses Vorgangs, der laut Lemmer für ihn bereits stattfand, liest sich in seinem Buch Rechts raus cool und flüssig. Der Mann weiß als Autor zu formulieren. Die Szenen sind dramaturgisch aufs Ende hin mit Steigerungen versehen und so knapp wie einsehbar begründet. Es beginnt mit den Bedenken bei einem Störkraft-Auftritt in Zwickau, wo anderthalbtausend herbei­geströmte Skins in nazistischer Tobsucht ausrasteten. Lemmer reagiert darauf mit Abwehr-Zynismus und registriert zugleich den Zustand der neuen Bundes­länder: „Die jungen Leute rebellierten gegen alles, was ihren Eltern heilig war.“ Für diese Einsicht brauchten beamtete Akademiker Jahre. Im Kapitel Rechts-Bruch verstärkt sich die Skepsis des Autors. Kamerad­schafts­abende mit Film­vorführungen Jud Süß und Der ewige Jude werden bereits als „Gehirnwäsche“ empfunden. Dazu fließen jeweils Ströme von Alkohol. Besoffenheit als rechter Normalzustand. Wer's wenigstens wahr­nimmt, beginnt langsam auszuheilen. Lemmer: „Was ich auf keinen Fall wollte, war selbst Opfer der Propaganda-Filme zu werden. Darum stellte ich viele Dinge, über die der aufrechte Nazi gar nicht lange nachdenkt, in Frage. Zum Beispiel alles, was mit Fremden­feind­lichkeit zu tun hat.“
Da begegnet ihm als Fee eine märchenhaft attraktive islamische Marok­kanerin, die sich durch das Zusammenleben mit ihm Anfeindungen ihrer Familie einhandelt wie er von seinen früheren Kumpanen. Von jetzt ab wird er bedroht. Wir kennen diese Situation von den konsequenten Aussteigern Ingo Hasselbach und Jörg Fischer. Beide können sich nicht ungeschützt in die Öffentlichkeit wagen. Wie das bei Lemmer ist, weiß ich nicht. Das Leben eines erklärten Ex-Neonazis ist nicht einfach in der bürgerlich-sozial­demokratischen Berliner Republik, die in ihrer Unfähigkeit zur Abwehr rechtsradikaler Umtriebe immer deutlichere Züge von Weimar annimmt.

Einen Großteil dieser Folge schrieb ich 2004 im Vorwort zu Lemmers Buch Rechts raus. Ein weiterer Text wird sich anschließen. Für die Situation heute, Anfang 2009, ist zu überlegen, was sich seither verändert hat. Das politische neue Jahr beginnt am 18. Januar mit den Landtagswahlen in Hessen. Das Datum erinnert an die Bismarcksche Reichsgründung von 1871 im Spiegel­saal zu Versailles. Die Umstände sind fatal, fast analog. Es geht mit der NATO gegen die Russen und national gegen Die Linke, wie Hessens CDU-Koch lauthals verkündet. Der Sumpf treibt trübe Blasen hervor. Einer Abgeordneten wird ihre „Rosa-Luxemburg-Frisur“ verübelt und die hessische Linke als kommunistisch unter­wandert definiert, als stünde Stalins Rote Armee vor der Tür. Einem Links-Politiker wird vorgeworfen, er habe „über den kommunisti­schen Philosophen Ernst Bloch“ promoviert. Das soll 2009 in Deutschland wieder als verderblich denunziert werden. Als Bloch 1967 den Friedens­preis des Deutschen Buch­handels bekam, bat man mich um den Würdigungs­artikel im Börsenblatt und Prof. Maihofer hielt die Laudatio. Maihofer wurde später Bonner Innenminister. Über „Ernst Bloch – Friedenspreisträger 1967“ berichte ich in Sklavensprache und Revolte ab Seite 402. Wenn das alles im 21. Jahrhundert wieder wie zu Hitlers und Adenauers Zeiten als kommunistisch und feindlich gilt, haben die Alt- wie Neu-Nazis insofern gesiegt, als sie McCarthys Wiedergeburt in Deutschland verkörpern. Wozu unsere Mühe, einen jungen Menschen aus der rechtsextremen Asozialität zu holen, wenn provinzielle Wahlkämpfer die alten rechten Töne spucken? Die Vorfahren machten das Land judenfrei, die Nachfahren wollen es linkenfrei haben. Das hatten wir schon mal. Die SED holte Ernst Bloch an die Leipziger Karl-Marx-Universität und warf ihn wieder raus. Kochs Wahlkämpfer äffen das ein halbes Jahrhundert später ungescheut nach. Ganz wie in Sachsen, wo Bloch an der Universität vergessen bleibt, und in Chemnitz munter der Bloch-Fresser Prof. Jesse amtiert. Das vereinigte Deutschland im rasanten Rückwärtsgang?

Kopfsteinpflaster

und über deutschland leise
brach herein die nacht
zurück von kriegerischer reise
sind wir die schlafende wacht

gepflastert sind unsre straßen mit
lustigen köpfen hohl
man fährt drauf einigermaßen
und fühlt sich wohl

und lebte heine heute
er spuckte in die luft
wir treuen teutschen leute
sind die matratzengruft

(Gesänge auf dem Markt 1962)

(II. Teil folgt)

Das nächste Kapitel erscheint am Montag, den 19. Januar 2009.

Gerhard Zwerenz   12.01.2009   
Gerhard Zwerenz
Serie
  1. Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
  2. Wird Sachsen bald chinesisch?
  3. Blick zurück und nach vorn
  4. Die große Sachsen-Koalition
  5. Von Milbradt zu Ernst Jünger
  6. Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
  7. Reise nach dem verlorenen Ich
  8. Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
  9. Van der Lubbe und die Folgen
  10. Unser Schulfreund Karl May
  11. Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
  12. Die Westflucht ostwärts
  13. Der Sänger, der nicht mehr singt
  14. Ich kenne nur
    Karl May und Hegel
  15. Mein Leben als Prophet
  16. Frühe Liebe mit Trauerflor
  17. Der Schatten Leo Bauers
  18. Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
  19. Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
  20. Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
  21. Tanz in die zweifache Existenz
  22. General Hammersteins Schweigen
  23. Die Pleiße war mein Mississippi
  24. Im Osten verzwergt und verhunzt?
  25. Uwe Johnson geheimdienstlich
  26. Was fürchtete Uwe Johnson
  27. Frühling Zoo Buchmesse
  28. Die goldenen Leipziger Jahre
  29. Das Poeten-Projekt
  30. Der Sachsenschlag und die Folgen
  31. Blick zurück auf Wohlgesinnte
  32. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
  33. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
  34. Brief mit Vorspann an Erich Loest
  35. Briefwechsel mit der Welt der Literatur
  36. Die offene Wunde der Welt der Literatur
  37. Leipzig – wir kommen
  38. Terror im Systemvergleich
  39. Rachegesang und Kafkas Prophetismus
  40. Die Nostalgie der 70er Jahre
  41. Pauliner Kirche und letzte Helden
  42. Das Kickers-Abenteuer
  43. Unser Feind, die Druckwelle
  44. Samisdat in postkulturellen Zeiten
  45. So trat ich meinen Liebesdienst an …
  46. Mein Ausstieg in den Himmel
  47. Schraubenzieher im Feuchtgebiet
  48. Der Fall Filip Müller
  49. Contra und pro Genossen
  50. Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
  51. Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
  52. Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
  53. Als Atheist in Fulda
  54. Parade der Wiedergänger
  55. Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
  56. Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
  57. Fragen an einen Totalitarismusforscher
  58. Meine fünf Lektionen
  59. Playmobilmachung von Harald Schmidt
  60. Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
  61. Denkfabrik am Pleißenstrand
  62. Rendezvous beim Kriegsjuristen
  63. Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
  64. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
  65. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
  66. Der Bunker ...
  67. Helmut auf allen Kanälen
  68. Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
  69. Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
  70. Die Sächsischen Freiheiten
  71. Zwischen Genossen und Werwölfen
  72. Zur Geschichte meiner Gedichte
  73. Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
  74. Der Dritte Weg als Ausweg
  75. Unendliche Wende
  76. Drei Liebesgrüße für Marcel
  77. Wir lagen vor Monte Cassino
  78. Die zweifache Lust
  79. Hacks Haffner Ulbricht Tillich
  80. Mein Leben als Doppelagent
  81. Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
  82. Vom Langen Marsch zum 3. Weg
  83. Die Differenz zwischen links und rechts
  84. Wo liegt Bad Gablenz?
  85. Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
  86. Der 3. Weg eines Auslandssachsen
  87. Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
  88. Am Anfang war das Gedicht
  89. Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
  90. Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
  91. Im Hotel Folterhochschule
  92. Brief an Ernst Bloch im Himmel
  93. Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
  94. Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
  95. 94/95 Doppelserie
  96. FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
  97. Rainer Werner Fassbinder ...
  98. Zähne zusammen­beißen ...
  99. Das Unvergessene im Blick
    1. Nachwort
Nachworte
  1. Nachwort
    siehe Folge 99
  2. Auf den Spuren des
    Günter Wallraff
  3. Online-Abenteuer mit Buch und Netz
  4. Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
  5. Die Leipziger Denkschule
  6. Idylle mit Wutanfall
  7. Die digitalisierte Freiheit der Elite
  8. Der Krieg als Badekur?
  9. Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
  10. Alter Sack antwortet jungem Sack
  11. Vor uns diverse Endkämpfe
  12. Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
  13. Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
  14. Kampf der Deserteure
  15. Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
  16. Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
  17. Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
  18. Was zum Teufel sind Blochianer?
  19. Affentanz um die 11. Feuerbach-These
  20. Geschichten vom Geist als Stimmvieh
  21. Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
  22. Trotz – Trotzalledem – Trotzki
  23. Der 3. Weg ist kein Mittelweg
  24. Matroschka –
    Die Mama in der Mama
  25. Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
  26. Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
  27. Jan Robert Bloch –
    der Sohn, der aus der Kälte kam
  28. Das Buch, der Tod und der Widerspruch
  29. Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
  30. Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
  31. Hölle angebohrt. Teufel raus?
  32. Zwischen Heym + Gauck
  33. Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
  34. Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
  35. Die Philosophenschlacht von Leipzig
  36. Dekonstruktion oder Das Ende der Ver­spä­tung ist das Ende
  37. Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
  38. Meine Weltbühne im poetenladen
  39. Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
  40. Die Internationale der Postmarxisten
  41. Dies hier war Deutschland
  42. Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
  43. Einiges Land oder wem die Rache gehört
  44. Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
  45. Macht ist ein Kriegszustand
  46. Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
  47. Damals, als ich als Boccaccio ging …
  48. Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
  49. Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
  50. Leipzig am Meer 2013
  51. Scheintote, Untote und Überlebende
  52. Die DDR musste nicht untergehen (1)
  53. Die DDR musste nicht untergehen (2)
  54. Ein Orden fürs Morden
  55. Welche Revolution darfs denn sein?
  56. Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
  57. Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
  58. Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
  59. Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
  60. Die heimatlose Linke (I)
    Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
  61. Die heimatlose Linke (II)
    Ein Zwischenruf
  62. Die heimatlose Linke (III)
    Wer ist Opfer, wer Täter ...
  63. Die heimatlose Linke (IV)
    In der permanenten Revolte
  64. Wir gründen den Club der
    heimatlosen Linken
  65. Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
  66. Links im Land der SS-Ober­sturm­bann­führer
  67. Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
  68. Leipzig. Kopfbahnhof
  69. Ordentlicher Dialog im Chaos
  70. Büchner und Nietzsche und wir
  71. Mit Brecht in Karthago ...
  72. Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
  73. Die Suche nach dem anderen Marx
  74. Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
  75. Vom Krieg unserer (eurer) Väter
  76. Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
  77. Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
  78. Die Heldensöhne der Urkatastrophe
  79. Die Autobiographie zwischen
    Schein und Sein
  80. Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
  81. Atlantis sendet online
  82. Zur Philosophie des Krieges
  83. Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
  84. Der Prominentenstadl in der Krise
  85. Der Blick von unten nach oben
  86. Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
  87. Vom Krieg gegen die Pazifisten
  88. Keine Lust aufs Rentnerdasein
  89. Von der Beschneidung bis zur
    begeh­baren Prostata
  90. Friede den Landesverrätern
    Augstein und Harich
  91. Klarstellung 1 – Der Konflikt um
    Marx und Bloch
  92. Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philo­sophie und Verbrechen
  93. Der Kampf ums Buch
  94. Und trotzdem: Ex oriente lux
  95. Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
  96. Der liebe Tod – Was können wir wissen?
  97. Lacht euren Herren ins Gesicht ...
  98. Die Blochianer kommen in Tanzschritten
  99. Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz