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Susanne Stephan
Haydn nachgerufen


Er fand ihn auf einem Markt in London:
ein Papageienvogel grau in grau,
doch mit leuchtend rotem Schweif
wie aufgetaucht aus einem Kontinent
des reinen Klangs
in diese irdische Ordnung,
in der die Worte ohne Farbe,
eine bloße Mechanik, Automaten-Geplapper,
das ihn verfolgte, noch einmal,
als er sich umdrehte: no man an island
an island …?
ein Zauberkunststück,
Silben-Dubletten leichthin
aus der Luft geholt,
denn hier, meine Damen und Herren,
hier hören Sie der Welt größte Kuriosität:
die menschliche Stimme!

Dazu das Auge, von dem er ahnte,
dass es alles sah: in dem der Markt war,
die große Stadt und was hinter ihm lag,
seine Einsamkeit bei den Esterházys,
die herrschaftliche Ruhe,
die er gefällig zu beleben,
der Tumult in der Teetasse
(doch das Gesicht verändert,
das sich darüber beugt:
graue Miene mit rotem Schweif),
sein wohltätiges Wirken in der Sonate,
die hintersinnigen Takte, kleinen Scherze,

und wie er über die Maler gelacht,
die ihn alle schöner machten als er war,
so dass seine Abbilder sich fremd blieben
wie seine Frau und er,
und gütiges Bei-sich-Sein möglich
nur in der Musik, der einen
oder andern schönen Melodie,

die der Vogel erlernen würde, unfehlbar
aus der tierischen Schöpfung
dies himmlisch Echo: Gott erhalte Gott erhalte.

Aus: Haydns Papagei. Gedichte, Klöpfer & Meyer, Tübingen 2015.

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Susanne Stephan
Lyrik