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Stefan Buchberger

Gespräch mit Roland Steiner für den poetenladen
Die meisten Autoren können bei weitem nicht vom
Verkauf ihrer Bücher leben
  Gespräch
Literatur und Förderung, so das Thema, bei dem es um Stipen­diaten, Preise und Ver­lage geht. Kann För­derung die Schreibweise der Autoren verändern? Benöt­igen wir mehr För­derung? Wie sieht die Zukunft aus?

Ungekürzt erschienen in
poet nr. 14
Literaturmagazin
poetenladen, Frühjahr 2013
Stefan Buchberger, geboren 1976 in Oberösterreich, schloss mit Unterbrechungen ein Studium der Germanistik und Politikwissenschaft ab. Er widmete sich zwischen­zeitlich dem Schreiben und lebte als Hilfs- und Hafena­rbeiter in Hamburg. Unter dem Label »Luftschacht« organisierte er Leseveranstaltungen in Wiener Bars und Kaffeeh­äusern. Mit dem ersten Frühjahrsprogramm im Jahr 2003 ging daraus der Luftschacht Verlag hervor, den er gemeinsam mit Jürgen­Lagger leitet. Derzeit erscheinen jährlich 12 bis 15 Titel in den Bereichen Belletristik, Kinderbuch und Comic. In diesem Frühjahr feiert der Verlag sein zehnjähriges Jubiläum.


Roland Steiner: Lieber Stefan, du hast gerade die Sitzung des österreichischen Verlagsbeirates hinter dir. Wie ist es dem Luftschlacht-Verlag dabei ergangen?

Stefan Buchberger: Ich habe mir das in Ruhe angehört und mir nicht vorgestellt, dass meine Vorstellungen umgeworfen werden, weil es be­reits die dritte Sitzung des Verlagsbeirates gewesen ist und man sich darauf einstellen konnte, dass es keine grundneuen Ansätze geben würde.

R. Steiner: Du hast gesagt, drei Sitzungen gab es bereits. Was heißt das: Gibt es mehrmals im Jahr Sitzungen oder für eine Buchsaison (Frühjahr, Herbst) mehrere Sitzungen?

S. Buchberger: Nein. Das Hearing ist vor drei Jahren ins Leben gerufen worden und findet jährlich im Herbst statt. Dabei werden allgemeine Probleme, die Ver­lags­förderung betref­fend, ange­sprochen und die unter­schiedlichen Interessen arti­kuliert. Nachdem ver­ständ­licher­weise zuvor die mangelnde Transparenz bei der Förde­rungs­ver­gabe kriti­siert worden war – es fragt sich aber, wie viel trans­parenter sie dadurch geworden ist. Man hat ja vorher schon ahnen können, dass die Gründe dafür, dass ein Verlag so und so viel bekommt und ein anderer mehr oder weniger, viel­fältig sind. Es gibt harte Kriterien, die man auf der Website des Minis­teriums nach­lesen kann. Und dann gibt es natürlich weiche, die auch im Ermessen der jeweiligen Jurymitglieder liegen. Das ist keine Ent­deckung von mir, sondern selbst­ver­ständlich. Ich finde es okay, dass man bei so einer Gelegenheit einfach einmal sieht, mit wem man es zu tun hat.

R. Steiner: Wenn wir bei den hard facts bleiben: Nach dreijähriger Verlags­tätigkeit mit einem Gewerbeschein kann man in Österreich beim Bundes­ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur um Förderung ansuchen, wobei Verlage bevorzugt werden, die öster­reichische Autoren im Programm führen. Die Maximal­förder­summe beträgt rund 160.000 Euro im Jahr. Wenn man nicht berück­sichtigt wird – aus welchem Grund auch immer –, kann man gesondert um Druck­kosten­beiträge ansuchen.

S. Buchberger: Richtig. Und es wird nicht alles gefördert: Gefördert werden Belle­tristik, Essayistik und Kinder­bücher, auch Über­setzungen, bevorzugt von öster­reichischen Über­setzern.

R. Steiner: Das heißt, der Sachbuchsektor wird nicht gefördert?

S. Buchberger: Nur in manchen Bereichen, wie Philosophie, Ge­schichte, Kunst ... Ich bin mir aber nicht sicher, wie streng das genommen wird. Viele Verlage betreuen mehrere Programm­bereiche; ob da jene Bereiche, die laut Kriterien nicht gefördert werden sollen, völlig ausgeblendet werden, weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass ein gewisses Augenmaß an den Tag gelegt wird, inwiefern es sich jeweils um Projekte handelt, die ohnehin anderweitig finanzierbar sind bzw. einen gewissen künstle­rischen Anspruch mitbringen.

R. Steiner: Wenn wir noch bei den hard facts bleiben: Sind die Summen, die ausge­schüttet werden, für einen Verlag existenz­ent­scheidend, oder sind sie per se zu niedrig angesetzt, um über Gewinn oder Verlust zu ent­scheiden?

S. Buchberger: Jeder sagt natürlich, es ist ihm zu wenig. Und das ist insofern auch verständlich, als die Summe zwanzig Jahre lang nicht angehoben worden ist, auch nicht valo­risiert, womit die Kaufkraft, die dem Verlag zur Verfügung gestellt wird, also gesunken ist. Die Verlage sind aber nicht weniger ge­worden. Insofern wird es natürlich schwieriger. Wir beziehen diese Förderung noch nicht sehr lange, ich glaube seit fünf oder sechs Jahren – den Luftschacht Verlag gibt es erst seit zehn Jahren.

R. Steiner: In welcher Höhe liegt die Förderung des Luftschacht-Verlags?

S. Buchberger: Wir haben in den vergan­genen zwei oder drei Jahren jeweils 45.500 Euro erhalten. Diese setzen sich zusammen aus der jeweils zweiten Stufe der Förde­rungs­tranche für das Frühjahrs- bzw. Herbstprogramm, also zweimal jährlich 18.200 Euro, und der ersten Stufe der Förderungs­tranche für Werbe und Ver­triebs­maß­nahmen, also einmal jährlich 9.100 Euro. Davor haben wir die Programm­förderung erster Stufe und keine Vertriebs­för­derung erhalten. Der Betrag wurde über die Jahre also angehoben, wobei mindestens so sehr unser Programm gewachsen ist.

R. Steiner: Wie sind die Summen im Vergleich zu anderen Ländern, etwa Deutschland?

S. Buchberger: Deutschland hat keine Verlags­för­derung. Dort beneiden uns viele Kollegen um dieses Instrument. Aller­dings weiß man auch, dass sich die deutschen Verlage am wesentlich größeren deutschen Buchmarkt, selbst bei ver­gleic­hbarer Medien­präsenz und Buch­handels­ver­tretung, leichter tun. Auch kleine Verlage verkaufen tenden­ziell hö­here Auflagen als öster­reichische ähnlicher Größe. Ich warte bis heute auf jemanden, der mir schlüssig erklären kann, warum das so ist. Die Titel eines öster­reichischen Verlags werden vom Buch­handel schließlich über die­selben deutschen Aus­lieferungen und Groß­händler bezogen. Für einen Buch­händler macht es ab­rechnungs­technisch keinen Unterschied, ob er ein Buch eines öster­reichi­schen oder eines deutschen Verlags bei der deutschen Ausliefe­rung bestellt.

R. Steiner: Liegt es am Werbebudget?

S. Buchberger: Nein. Wenn man zwei Verlage mit denselben Struktur­voraus­setzungen und demselben Budget vergleicht, wird sich der deutsche Verlag tendenziell leichter tun, sein Buch in die deutschen Buch­handlungen zu bekommen als der österreichische. Scheint eine Kopf­schranke zu sein – ich weiß es nicht.

R. Steiner: Kommen wir zu den weichen Kriterien, die Förderungen mitent­scheiden. Im Verlagsbeirat sitzen Verleger, Literaturwissenschaftler, Journalisten und Buch­händler. Inwieweit be­einflussen deiner Erfahrung nach deren berufliche Tätig­keiten, was gefördert wird? Kann es etwa sein, dass der Buch­händler X, der das Programm des Verlags Y bevorzugt, auch in der Jury darauf achtet, dass Y gefördert wird?

S. Buchberger: Man muss vorausschicken, dass diesem Beirat ein Wirtschafts­prüfer beisteht, der sich die von den Verlagen vorgelegten Daten ansieht und seine Einschätzung abgibt, etwa ob der Verlag nach­voll­ziehbar kalkuliert und ob die ange­gebenen Zahlen stimmen können. Ich weiß nicht, inwiefern das den Spielraum bereits vorgibt. Davon ab­gesehen ist es sicher auch eine ganz subjektive Angelegenheit und Ge­schmacks­sache, was jemand als förderns­wert betrachtet, voraus­gesetzt die vorgegebenen Kriterien werden erfüllt: Der eine empfin­det einen bestimmten Titel vielleicht als trashig, ein anderer als besonders inno­vativ. Ich glaube nicht, dass ein Buch­händler dabei eine grundsätzlich andere Heran­gehensweise hat als ein Wissenschaftler.

R. Steiner: Ich habe mich manchmal gefragt, wie es möglich ist, dass Verlage Förderung erhalten, die ihren Autoren keine Honorare auszahlen oder erst nach gerichtlichen Verhandlungen. Müsste das nicht der Wirtschaftsprüfer erheben?

S. Buchberger: Laut gestrigem Verlagshearing hat das Konsequenzen. Das scheint ein wichtiger Aspekt zu sein, muss es auch sein, denke ich, denn letztendlich: Was wir Verlage mit dem Geld machen, ist, es zu verwalten und weiterzugeben. Das Geld wandert zu den Drucke­reien, zu den Autoren und in die Strukturerhaltung, d.h. zu den Auslieferungen. Ob für den Verlag am Ende etwas überbleibt, hängt in meiner Idealvorstellung vom Programmglück und -geschick ab.

R. Steiner: Gibt es Modelle der Verlagsförderung, die in anderen Ländern gepflogen oder in Österreich diskutiert werden, die dir plausibler und funktioneller erscheinen?

S. Buchberger: So gut kenne ich mich nicht aus. Das andere mir bekannte Modell ist das hier außerhalb der Verlags­förderung existierende, nämlich der Druck­kosten­anträge ans Ministerium und die Landes­ämter, also der Direktförderungen einzelner Projekte. Die Verlags­förderung erlaubt einem mehr Spielraum. Wobei es auch Verlage gibt, die ganz bewusst nicht oder nicht mehr um Ver­lags­förderung ansuchen, wenn sie erkennen, dass sie mit den Druck­kosten­zuschüssen besser fahren und damit ein Programm machen können, das sie niemandem gegen­über recht­fertigen müssen.

R. Steiner: Wenn man nun andere Formen der Literatur­förderung in Österreich betrachtet: Wie gut funktioniert jene der Autoren via Stipendien deiner Meinung nach?

S. Buchberger: Das ist natürlich nie gerecht ... Es gibt Autoren, die können einen ganzen Lebens­abschnitt lang von Stipendien leben. Die meisten, auch die relativ bekannten Autoren in Österreich können bei weitem nicht vom Verkauf ihrer Bücher leben. Sofern sie über kein anderes Ein­kommen verfügen, sind sie von Stipen­dien abhängig, was von einem Tag auf den anderen zum Problem werden kann. Ich kann einem jeden Autor, der überlegt Berufs­schrift­steller zu werden, nur raten, sich um einen »Brotjob« zu kümmern.

R. Steiner: Gibt es nicht gerade in diesem Bereich der Förderung Seilschaften, wenn etwa Leute, die eine Literatur­zeit­schrift oder -schule betreiben, »ihre« Autoren mit Stipendien bedenken qua Jury­mit­glied­schaft? Könnten da etwa anonyme Ein­reichungen wie bei manchen Literatur­preisen oder aber aus­ländische Gutachter abhelfen?

S. Buchberger: Ich frage mich, inwieweit Anonymität funktio­nieren soll, wenn man Autoren doch am Stil erkennen kann bzw. sie sich schon zu erkennen geben wüssten. Ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll ist. Es tangiert eine grund­sätzliche Frage: Findet man es besser, einem jungen Autor für eine gewisse Zeit die Möglich­keit konzen­trierten Schreibens einzuräumen, oder einem Schrift­steller über Jahr­zehnte kontinuierliches Arbeiten zu ermöglichen?

R. Steiner: Thomas Bernhard hat den Literatur­zirkus bekanntlich verachtet und – wohl auch weil er sich erlauben konnte – später einige Literaturpreise abgelehnt. Für viele junge Autoren sind diese aber existenz­ent­scheidend. Abgesehen vom Monetären: Wie hilfreich sind Preise für die literarische Karriere?

S. Buchberger: Als Verleger begrüße ich Literaturpreise insofern, als sie in der Lage sind, allen etwas zu bringen – vom Autor über den Verlag bis zum Buch­händler. Es gibt natürlich Unter­schiede zwischen kleinen, lokalen Preisen, die nur den Autoren und manchmal auch denen nur wenig nützen, und etwa dem Deutschen Buchpreis, mit dem du mindestens 100.000 Exemplare des Titels verkaufst. Das ist ein Phänomen, das Autoren und gerade kleinere Verlage gleich über Jahre hinweg sanieren kann.

R. Steiner: Wie der österreichische Jung-und-Jung-Verlag ...

S. Buchberger: Großartig! Und dazwischen gibt es verschiedene Preise unter­schiedlichen Stellen­wertes. Für uns als Verlag, der viele Erzähl­debüts im Programm hat, wäre natürlich der aspekte-Literatur­preis interessant.

R. Steiner: Was geschieht mit Autoren, die sich bewusst diesem Zirkus entziehen? Wäre es für euch denkbar, einen Autor ohne jegliche Auszeichnungen zu publizieren?

S. Buchberger: Freilich, die meisten unserer Autoren, denen wir einen ersten Vertrag vorlegen, können ja gar nicht mit Aus­zeich­nungen aufwarten, da sie noch nichts bzw. noch wenig publiziert haben. Aber ich würde auch keinen Autor ablehnen, der sich dem Zirkus bewusst entzieht und etwa beim Bachmann-Preis nicht teil­nehmen will, und es wäre ja völlig unsinnig, Autoren anzutreiben, etwa auf den Deutschen Buchpreis hinzuarbeiten. Für einen Verlag ist es schon nützlich, wenn Autoren in der Öffent­lichkeit umtriebig sind – aber wir respek­tieren individuelle Grenzen und wollen ja nicht, dass jemand seelischen Schaden nimmt.

R. Steiner: Preise bringen Öffentlichkeit allen Beteiligten, können aber eventuell auch zurückschlagen: Verändern Preise die Literatur eines Autors?

S. Buchberger: Einige unserer Kinderbücher wurden prämiert, aber keiner dieser Autoren ist deswegen abgehoben oder hat versucht sicher marktkonformer zu positionieren.

R. Steiner: Häufiger geschieht es, dass Autoren, die einen renommierten Preis erhalten, zu einem größeren deutschen Verlag wechseln ...

S. Buchberger: Das findet aber auch ohne Preis statt. Wir haben bereits den einen oder anderen Autor verloren. Das passiert aber aus unter­schiedlichen Gründen: Man kann sich in aller Freundschaft voneinander trennen, ohne es groß zu bedauern, manchmal zwingen unvereinbare ästhetische oder programmatische Ansichten dazu auseinander­zugehen, oder ein Autor geht eben, weil er ein Angebot eines großen deutschen Verlags erhalten hat – das nehme ich relativ emotionslos hin, weil das verständlich ist.

R. Steiner: Bei vielen Preisen und Stipendien gibt es mittlerweile ziemlich rigide Altersmaxima der Einreichung, bisweilen enden sie bei 35 Jahren: Welche Möglichkeiten der Literaturförderung siehst du für ältere Autoren?

S. Buchberger: Ich weiß es nicht. Hier ergeht es Künstlern wohl wie Nichtkünstlern – sie benötigen ein regelmäßiges Einkommen. Sozial gerechter freilich wäre ein bedingungs­loses Grund­einkommen, als das Stipendien­system für Künstler ad infinitum auszubauen.

R. Steiner: Kommen wir zu einem anderen Teil der Autoren-, also in weiterer Folge Literaturförderung – den Literatur­zeit­schriften, für so manche ein wandelnder Ana­chronismus in der heutigen digitalen Zeit. Könnten diese ohne Subven­tionierung überleben?

S. Buchberger: Ich schließe das eher aus. Es kann in Österreich ja auch keine anspruchs­volle Tages­zeitung ohne Presseförderung überleben. Die meisten, kleineren Literatur­zeit­schriften werden von Leuten betrieben, die nichts damit verdienen, die Idealisten sind. Und was Online- oder elektro­nische Publikationen betrifft: Da sind wir in einer andauernden Phase der Doppel­gleisig­keit von Print und Online, und keiner weiß, wie lange es bis zu einer kompletten Umstellung dauern wird, wie der Wandel überhaupt ausgehen wird, wo sich die gedruckte Zeitschrift und das gedruckte Buch auch weiterhin werden behaupten können.

R. Steiner: Fördert der österreichische Verlagsbeirat E-Books?

S. Buchberger: Derzeit glaube ich nicht. Das Thema ist beim gestrigen Hearing aber angesprochen worden; man kann sich dem Thema heute nicht mehr verweigern. Aber: Bislang muss man ja selbst die Verlagsvorschauen in gedruckter Form einreichen, also glaube ich nicht, dass eine Förderung ausschließlich digitaler Bücher bereits vorgesehen ist.

R. Steiner: Auch Literatur­häuser fördern Autoren und Literatur. Was ich selbst aus eigener leidvoller Erfahrung weiß: Oft sind die Lesungen langweilig bzw. langweilig pro­grammiert. Seit einigen Jahren fahren viele die publikums­wirksame Slam-Poetry-Schiene, aus der später manche bekannte Namen hervor­stiegen. Pointiert gefragt: Sollten Literaturhäuser – ähnlich wie in der Filmförderung – nach (potentiellen) Besucher­zahlen sub­ventioniert werden?

S. Buchberger: Es ist natürlich klar, dass dies die Lite­ratur­häuser verändern würde: andere Programme, andere Autoren – nämlich Publikumsm­agneten –, und es wird wahr­scheinlich das Spektakel in den Vorder­grund gerückt. Aber ich finde den Ansatz per se nicht grundfalsch, weil ich selbst Bauchweh bekomme, wenn wir bei einer Buch­präsen­tation einmal nur zehn Besucher haben, obwohl Verlag und Veranstalter alle Mittel der Auf­merksam­keits­gewinnung aus­geschöpft haben. Und dann ist es für die wenigen womöglich auch noch langweilig, was manchmal auch am Autor und seinem Text liegen mag. Das macht alle Beteiligten traurig und kostet Kraft – und der Steuer­zahler Geld. Es gibt Veran­staltungen, die ich lieber meide oder manchmal lieber meiden würde, weil sie meinen Schaf­fens­drang vielmehr hemmen als beflügeln. Aber was ist die Lösung? Wie hoch sollen eine Opernkarte, ein Gedichtband, ein Literatur­haus­besuch subven­tioniert sein, und wer ent­scheidet, ob das sein darf: die Interessens­vertreter oder die Budgetverwalter? Ich weiß für mich selbst, worauf ich eher verzichten könnte, aber mehr schon nicht.

R. Steiner: Und dann gibt es Veranstalterschienen, wo Literatur als Event aufgezogen wird – in Wien etwa die »O-Töne«, die im Sommer im Museums­quartier stattfinden und wo ein Wolf Haas bis zu tausend Leute anzieht. Wäre das ein verfolgenswerter Gedanke, punktuelle Veranstaltungen zu fördern als ein Dauerprogramm?

S. Buchberger: Zuvor aber ist zu berück­sichtigen, dass Literaturhäuser auch andere Aufgaben zu erfüllen haben: zu dokumentieren, zu archivieren, Entdeckungs­leistungen zu erbringen, sie dienen als Orte des Kennenlernens und für den Erfahrungs­austausch, geben einen Überblick und können eine beratende Funktion einnehmen. Einzelprojekte eignen sich dagegen besser, um innovative Akzente setzen, auch weil dabei häufig junge, neue, unverbrauchte Leute bei der Sache sind, die mittels Selbst­ausbeutung bisweilen effizienter in der Umsetzung sind. Luftschacht ist, bevor wir zum Verlag wurden, eigentlich ange­treten, Lesungen bewusst anders zu gestalten als wir sie aus dem tradi­tionellen ­Literatur­hausumfeld gekannt haben, Literatur abwechs­lungs­reich zu in­szenieren, um ein neues Publikum damit anzu­ziehen. Da gab es auch in Wien die Poetry Slams schon, die uns jedoch von der Idee und den Inhalten her nicht gefallen haben, davon abgesehen diesen Neu­insze­nierungs­gedanken aber kaum – das war eine Zeit lang spannend. Aber als wir uns ent­schieden haben, in erster Linie einen Verlag zu betreiben, ist das Engagement auf dem Veranstaltungsgebiet immer geringer geworden, weil es sich zeitlich nicht mehr ausging und sich der Aufwand keinesfalls rechnete.

R. Steiner: Liegt das auch daran, das man als Kultur­konsument darauf programmiert ist, für eine Kino-, Konzert- oder Theaterkarte Geld auszugeben, für eine Literaturveranstaltung aber nicht?

S. Buchberger: Ja, offenbar ist das Interesse nicht ausreichend.

R. Steiner: Seltsam ist ja, dass man für eine Lesung in einem Theater Geld auszugeben bereit ist, für dieselbe in einem Literaturhaus aber nicht. Offenbar hängt es mit der veran­staltenden Insti­tution zusammen –
S. Buchberger: Ich glaube, es ist weniger die Institution als der Name. Würde Umberto Eco im »Flex« (Anm.: Wiener Musikclub) lesen, würden die Leute auch dorthin gehen. Dahinter stecken unter­schied­lichste Motive: Es gibt Leute, die gehen zu Literatur­veran­staltungen der guten Unterhaltung wegen, andere aus professionellen Gründen oder weil sie sich jemandem gegenüber verpflichtet fühlen, der Kontaktpflege oder einer literarischen Neugier wegen. Nicht zuletzt muss man Buch­präsen­tationen auch als Werbe­veranstal­tungen begreifen, für die man eben nichts bezahlt, weil man etwas über das Produkt erfahren möchte und es eventuell danach kauft.

R. Steiner: Weil du vorhin gute Unter­haltung ange­sprochen hast: Aus eurem aktuellen Verlags­programm verspricht die Autobiografie des ehemaligen »Guns N' Roses«-Bassisten Duff McKagan definitiv gute Unterhaltung. Wie kommt ein zehn Jahre junger Zwei-Drei-Mann-Verlag aus Wien zu solch einem Coup?

S. Buchberger: Na ja, wir haben einfach Wind bekommen davon: Der Mitarbeiter an McKagans Buch hat einen über eine Ecke gemein­samen Bekannten im deutsch­sprachigen Raum gefragt, ob er nicht einen interes­santen Verlag dafür wüsste. Es sollte nicht in das gängige Rockbiografien-Eck gestellt werden. Und da habe ich mich erst mal ange­sprochen gefühlt, aber eigentlich nicht ernsthaft gedacht, dass das etwas für unsere Belle­tristik-Schiene sein würde. Aus ganz persön­lichem Interesse – als 14-Jähriger war ich »Guns N' Roses«-Fan, der Posters von ihnen im Jugend­zimmer hatte – habe ich mir die Fahnen schicken lassen. Und ich habe diesen Wälzer dann in einer Nacht durchgelesen und war begeistert! Es war spannend, nicht nur über die Band und die Skandale zu lesen, sondern über den Typen selbst, wie er sich immer wieder hochgerappelt hat, um zu über­leben! Duff McKagan, als Buch­rechte­inhaber, hat sich dann relativ kulant gezeigt, was den Verlagsvorschuss anbelangt.

R. Steiner: Ein schillernder Titel in einem schil­lernden Programm ... Ihr verlegt derzeit unter anderem Hanno Millesis anspruchs­voll-ver­spielten Reiseroman »Granturismo«, das fantastische Kinderbuch »Gloria nach Adam Riese« von Michael Stavaric und Dorothee Schwab und zum achten Mal die Anthologie zum Literatur­preis »Wortlaut« des österreichischen Radiosenders FM4. Lassen sich mit solch einer Art der Misch­kalku­lation Gewinne machen?

S. Buchberger: Die Mischkalkulation steht dabei nicht im Vordergrund, eigentlich können wir uns die nicht erlauben. Wir haben keine Cash­cows, die genug abwerfen, um Verluste abzudecken. Letzt­endlich passiert aber dennoch etwas in diese Richtung. Unsere Kinder­bücher, zu denen wir eher zufällig gekommen sind, entwickeln sich im Buch­handel ganz gut, deutlich besser als die Belletristik, die zu verkaufen einfach nicht leichter wird.

R. Steiner: Hängt das auch damit zusammen, dass ihr gerade am Kinderbuchsektor sehr viel Innovation und Mut aufbringt, was Inhalt und Illustration betrifft?

S. Buchberger: Ja, anscheinend decken wir da eine Nische ab, indem wir ganz naiv angefangen haben, solche Kinderbücher zu verlegen, die uns selbst gefallen. So soll es sein, so macht Verlegen am meisten Spaß! Da gibt es keine groß­artige Strategie im Hinter­kopf. Ent­scheidend dafür, den Kinder­buch- und Comic-Bereich, den wir ja auch seit Jahren forcieren, voran­zutreiben, war nicht eine Misch­kalku­lation, sondern ein Vorteil pro­gramma­tischer Mehr­gleisigkeit. Weil die einzelnen Titel ja nicht nur einer Konkurrenz durch andere Verlage ausge­setzt sind, sondern auch jener innerhalb des eigenen Ver­lags­programms. Es ist schwie­rig, wenn man mehrere Titel im Programm hat, die in den journalis­tischen Redak­tionen dieselben Leute ansprechen; der Redakteur wird sich am Ende für einen davon ent­scheiden müssen. Außerdem sind Kinder­bücher in der Regel personal­scho­nender. Und: Es macht einfach Spaß, Ab­wechslung zu haben. Mir geht die Literatur manchmal unheimlich auf die Nerven!

R. Steiner: Zum Abschluss die ganz große Frage: Was bedeutet Verlegen für dich, was kostet es dich?

S. Buchberger: Das Verlegen ist für mich länger­fristig allem Anschein nach exis­tenz­vernichtend. Man geht als Klein­verleger mit einem Programm, wie wir es machen, sehenden Auges dem Abgrund entgegen. (Lacht.) Ich will es nicht beschönigen. Wieso tut man das? Ich glaube nicht, dass man sich das, was man tut, immer sorg­fältig aussucht – wie man es bis­weilen anderen weis­zumachen versucht. Letztendlich pas­sieren einem die Dinge im Leben und man versucht das Beste daraus zu machen. Das ist ein bisschen wie bei Kindern, die sich ihre Schule auch nicht ausgesucht haben, oder man hängt sich in ein Studium und gesteht sich irgend­wann er­nüch­tert ein, das hatte ich mir doch anders vorgestellt, aber man hat bereits viele »Scheine« gesammelt –

R. Steiner: Jetzt hat man schon so viele Bücher verlegt, jetzt kann man nichts anderes –

S. Buchberger: Ja, genau. Das ist wahr­scheinlich die Frage: Finde ich einen Weg, der für mich funktioniert? Das Problem ist, dass der Weg der großen Player am Buch­markt einer ist, der für uns kleine Ver­lage nicht funktio­niert. Buch­handels­struk­turen und -gepflogen­heiten, wie sie jetzt bestehen, haben große Player so gemacht. Und wir glauben deren Spiel mit­spielen zu müssen, wenn wir wahr­genommen werden wollen. Finde die große, unbe­kannte Lösung – das Ziel haben wir!

R. Steiner: Lieber Stefan, wir hoffen mit euch! Danke für das Gespräch.

  Das Gespräch wurde für online Wiedergabe gekürzt.

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Literaturmagazin
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