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James Sallis

Driver

Die Kammern eines Herzens
Ein wirklich guter Krimi

James Sallis | Driver
James Sallis
Driver
Roman
Liebeskind, 2007
Als Junge wird Driver von seinem Vater zu Dieb­stählen mitgenommen, bis seine Mutter den Vater umbringt. Sie landet in der Psychiatrie, Driver bei Pflegeeltern. Von einem Kumpel lernt er das Auto­fahren, haut noch als Jugendlicher von den Pflegeeltern ab nach Holly­wood und macht dort die Bekannt­schaft eines berühmten Stunt­fahrers. Durch ihn bekommt er seine ersten Jobs und als sein Mentor stirbt, wird Driver zum besten und gefrag­testen Fahrer im Filmgeschäft. Nebenbei arbeitet er bei Raubüberfällen als Fluchtfahrer. Nach und nach lässt er die Hollywood-Jobs sein und schlittert bzw. fährt geradewegs in eine Welt der schnellen Raub­überfälle. Als er in ein mieses Ding hinein­gezogen wird, bei dem er eigentlich umkommen sollte, rächt er sich in einem Rache­feld­zug an dem Auftraggeber. Das ist der Beginn eines Lebens als Outlaw, das, wie wir in der Voraus­schau erfahren, ein paar Jahre später mit Drivers Tod in Tijuana enden wird.

Driver ist die melan­cholische Geschichte eines Einzel­gängers, dem alle wichtigen Menschen genommen werden. Erst die Eltern, dann seine erste Ersatzfamilie, schließlich sein Freund Doc. Es ist eine korrupte Welt, die ihren grausamen Höhepunkt im Schlussbild findet: ein Gangster, der Driver zum Essen eingeladen hat, will ihn erstechen, als sie sich die Hand geben. Driver ist schneller und bringt jemanden um, der unter anderen Umständen sein Freund hätte werden können.

Der Autor behält eine Distanz zum Erzählten und lässt hin und wieder einen scharfsinnigen Humor aufblitzen, der auch mit dem Genre des Krimis und seinen typischen Szenerien spielt. Die Geschichte wird fast kühl erzählt, mit einer tiefen Melancholie darunter und einer Verbeugung vor dem Vorbild Raymond Chandler, auf dessen Held Philip Marlowe einmal augenzwinkernd im Text angespielt wird. Es sind dieselben miesen Lokale, in denen Driver herumhängt, die auch Marlowes Umgebung darstellen, aber die Figur ist eine ganz andere.

Der Text beginnt nach dem gescheiterten Raubüberfall in einem Motel, wo Driver mit mehreren Leichen festsitzt, erzählt dann im Rückblick, wie es zu der Szene kam, unterbrochen von Einsichten in Drivers Kindheit und abgeschlossen durch Drivers Rache.

Seine Geschichte wird personal erzählt, am Ende erhalten wir auch Einblick in das Leben der beiden Gangster, die den finalen Raubüberfall geplant haben. Es gibt einen ordnenden Erzähler, der den Überblick hat und am Schluss einen kleinen Ausblick auf Drivers Ende geben kann.

Die Dialoge sind kurz und knackig, wie es sich für einen Krimi gehört, die Szenen schnell geschnitten. Der Text ist gut gearbeitet. Sallis, sprachlich knapp und pointiert, lässt sein poetisches Talent nur selten aufblitzen („Das Akkordeon öffnet und schließt sich wie die Kammern eines Herzens“) Der Text zeigt eine miese Gesellschaft, in der ein Einzelner herumtaumelt, dessen Geschichte einen gefährlichen „Drive“ bekommt und die kein gutes Ende nehmen kann.

Ein Krimi, der endlich wieder deutlich macht, welch melancholische Eleganz dem Genre innewohnt, wenn ein fähiger Autor sich seiner annimmt.
James Sallis wurde 1944 in Helena, Arkansas geboren. Er ist renommierter Poet, Kritiker, Redakteur, Übersetzer und Schriftsteller. Heute lebt er mit seiner Ehefrau in Phoenix, Arizona.

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Marie T. Martin    19.11.2007

 

 
Marie T. Martin
Lyrik
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