poetenladen    poet    verlag

●  Sächsische AutobiographieEine Serie von
Gerhard Zwerenz

●  Lyrik-KonferenzDieter M. Gräf und
Alessandro De Francesco

●  UmkreisungenJan Kuhlbrodt und
Jürgen Brôcan (Hg.)

●  Stelen – lyrische GedenksteineHerausgegeben
von Hans Thill

●  Americana – Lyrik aus den USAHrsg. von Annette Kühn
& Christian Lux

●  ZeitschriftenleseMichael Braun und Michael Buselmeier

●  SitemapÜberblick über
alle Seiten

●  Buchladenpoetenladen Bücher
Magazin poet ordern

●  ForumForum

●  poetenladen et ceteraBeitrag in der Presse (wechselnd)

 

Markus Hallinger

Das Eigene

From outer space

Kritik
  Markus Hallinger
Das Eigene
Gedichte
Lyrikedition 2012
88 Seiten, 9,50 Euro


Natürlich spielt der Titel des Gedichtbandes von Markus Hallinger »Das Eigene« da­rauf an, dass das, was jemand sein Eigenes nennt, den anderen das Fremde ist. Und aus dieser Vorstellung speist sich auch mein Inter­esse an diesem Band, denn er führt mich in Gegenden, die ich nur vom Hören­sagen kenne. Wenn Hallinger nämlich ganz bei sich bleibt, entfernt er sich umso mehr von mir und uns, und mit »uns« meine ich, die Bewohner der Städte, der Würfel, des geordneten Verkehrs, der gezügelten Massen, die sich gern für den Nabel der Welt halten und allzu gern vergessen, dass die Lebens­mittel, die sie brauchen und ver­brauchen zum grüßten Teil aus Gegenden stammen, die sie nur von Bildern kennen.

Die Städte die ich kenne, sind weit davon entfernt ein Groß­stadt­dschungel zu sein. Man verliert hier, im urbanen Raum den Über­blick nicht. Und genau sowenig, wie die Stadt ein Dschungel ist, ist das Land kein Idyll. Das war es nie und war es schon zu Eichen­dorffs Zeiten gerade nicht, denn damals schickte man sich an, die Distanzen zwischen den Städten mit Eisenbahngleisen zu verkürzen, das Land wurde durch­schnitten, und weil es schein­bar ruhig liegt, wenn wir es durch­fahren, weil auch einmal ein paar Kinder winken, mag es uns als Idylle erscheinen.

Bei Hallinger hört sich das so an:

Bahnfahrt

Nur wer besoffen ist, schreit aus dem fenster
den kartoffelacker an.
Mit dem vollmond wächst der durst
und die hand brennt.
Mit abnehmenden mond
werden die fahrgäste schläfrig und sehen weich aus.
Nur der buckel juckt.

Auch auf dem Land also, hat man keine Zeit zu verlieren, muss sehen, dass man zum Rausch kommt und zu Arbeitsbeginn wieder nüchtern sein, nur dass dort die natürlichen Abfolgen, die Vegetations­phasen und Jahres­zeiten vom künstlichen Licht und der Fernh­eizung noch nicht komplett verdrängt sind. Insofern ist aber das Land eben nicht der Gegenentwurf zur Stadt, kein gegen­über, keine Negativ­kopie.

In den Gedichten Markus Hallingers stellt es sich als das Eigene, eine eigene Welt dar, die der unseren zwar verbunden ist, aber durch sie nicht erklärt werden kann. Wenn sie überhaupt erklärt werden kann, dem der sie nicht lebt. Aber Hallinger erklärt sie ja auch nicht. Er zeigt sie in grandio­sen Stücken.

Sehr be­eindruckt war ich von den kleinen Por­traits der Bewohner Karl, Lisbeth, Else, Gustl … (Der Gustl trägt ein l bei sich / ein kleines l so sieht er sich). Hallinger zeich­net sie mit Liebe aber auch mit Distanz, einer Distanz, die mir nötig scheint, um das Leben der anderen, hier wie dort, aus­zuhalten. Und das Sprachspiel erwächst aus dem Namen und dem Dialekt. Ein wunderliches, ein wunder­bares Buch.

 

Jan Kuhlbrodt    17.12.2012   

 

 
Jan Kuhlbrodt
Prosa
Lyrik
Gespräch