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Wochenschau, News 352
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Wochenschau 11 W.F. Schmid         09.01.2009
Der Deutsche Meister 2009

In Krisenzeiten ist es gut, in den Tod zu investieren. Gestorben wird immer. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Gott. Der zieht zurzeit mit der Fliegenklatsche durch die Literaturlandschaft. Vergangene Woche traf Gert Jonke der Schlag. Oder war es doch Krebs? Ach Gott. Gert Jonke ist tot. Hier kommt Gert Jonke. Jetzt kann er seinen Ruhm einheimsen. Wenn Ihnen nächstes Mal wer den Tod wünscht, bedanken Sie sich recht herzlich.

Nach Jelinek starb da ein »großer Sprachkünstler«. Aber ist jetzt wirklich einer der wichtigsten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur gestorben, der zur Entwicklung der Literatur ungemein beigetragen hat, oder war er nur ein unbekannter Autor, der von der Öffentlichkeit unbemerkt gerühmt wurde? Beides natürlich. Wieder einmal zeigt sich die Diskrepanz zwischen interner und externer Hierarchie des literarischen Feldes. Danke Bourdieu, aber der Tod durchbricht diese Grenze. Gott sei Dank. Irgendwer muss demnächst Gott entwaffnen. Zu Liebe der Medien. Zu viel des Todes ist nicht gut. Wohin mit all den Leichen in den Zeilen? Gut, denkt sich Gott, und zieht beleidigt nach Norden. Aber musste es denn Inger Christensen sein? Eine Schande. Außer Harald Hartung klatschen sowohl FAZ als auch NZZ nur lieblos die Meldungen der Presseagenturen hin. Wir nicht, nein. Dank Volker Sielaff und Francisca Ricinski.

Aber lieber Gott, zieh wieder ab aus Norden. Ich hab Angst um Gustafsson, hab Angst um Hein. Kannst Du nicht Deinen derzeitigen Arbeitsbereich ein bisschen verlagern? Kannst Du nicht vorzugsweise endlich mal bei Covance vorbeiräubern? Könnte vielleicht Tausenden das Leben retten.


Die EH

Da sind die Medien voll, wenn der Heidenreich die Quote knickt. Das ist ihr doch wahrscheinlich sogar selbst egal. Ja, dann sind es eben statt 160.000 nur noch 65.000 Aufrufe. Na und? Das werden noch weniger. Wollen wir die Skandalschreie und Katastrophenrufe dann monatlich lesen müssen? Vielleicht sollte sie ja mal ihre Leseliste aufpeppen. Hier die ab 12. Januar mit Stefan Aust als Gast:

  • Anna Gavalda: »Alles Glück kommt nie« (Hanser)
  • Alison Lurie: »Paare« (Diogenes)
  • John Le Carré: »Marionetten« (Ullstein)
  • Margaret Atwood: »Payback« (Berlin Verlag)
  • Alexander Gorkow: »Draussen scheint die Sonne« (KiWi)

Ach ja, um den Schatten von 2008 zu verlängern; da war ja auch noch das ZDF und die Westermann. Die will auch nicht weitermachen; fordert aber mehr Enthusiasmus und weniger Intellekt in der Literaturkritik. Hier ein Interview.



Ohren auf!

2009 gibts wieder heftig was auf die Lauscher. Zumindest wenn es nach dem Focus, dem Börsenverein, dem WDR und lit.COLOGNE gehen soll. Die stiften nämlich den Deutschen Hörbuchpreis. Die 21 Nominierten für 2009 stehen jetzt fest und können hier eingesehen werden.

Insgesamt sind 14 Verlage vertreten. Der Hörverlag sahnt mit fünf Nominierungen wieder einmal am meisten ab. Anfang Februar will sich die Jury entscheiden, und den Deutschen Hörbuchpreis am 15. März im Rahmen der Hörbuch-Gala während der lit.COLOGNE im WDR-Funkhaus am Wallrafplatz verleihen.


über setzen

Eine Auszeichnung für einen Job, der sich leider auch fast ausschließlich durch staatliche und institutionelle Förderung trägt. Und dann trägt der Job nicht einmal Ruhm ein. Wer kennt schon Übersetzer, wenn sie nicht gerade selber anerkannte Schriftsteller sind? Wer kennt Else Otten? Naja, wenigstens hat die es geschafft, dass ein Preis nach ihr benannt wurde.

Der Else-Otten-Übersetzerpreis für Übersetzungen aus dem Niederländischen geht 2008 an Waltraud Hüsmert. Wie? Kennen Sie auch nicht? Die hat Der Kummer von Belgien von Hugo Claus (Klett-Cotta 2008) ins Deutsche übertragen. Dafür bekommt sie zumindest am 16. Januar in Berlin den 5.200 Euro trächtigen Preis.


Klicktipps

»schon liegt er im grab. aus seinem grab sprießt ein schößling. der schößling trägt am baum die todesfrucht. die todesfrucht heißt bratkartoffeln mit leichengift.« Das ist ein Satz vom Schriftsteller Franz Müntefering. Ja, Franz Müntefering wollte eigentlich Schriftsteller werden. Und das auch noch laut und aggressiv und avantgardistisch. Seine Beziehung zur Gruppe 61 legt jetzt die SZ offen. Was es also heißt, enttäuscht zu werden, weiß er.
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Wohin treibt der Literaturbetrieb? Der Trend der kleineren Verlage, besprochen von Tanja Graf.
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SWR Bestenliste. Die Literaturkritiker Ursula März, Jörg Drews und Martin Lüdke unterhalten sich mit dem Moderator Eberhard Falcke über die ersten vier Plätze des Monats Januar (als mp3 Datei zum Download).
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Ab in die Mitte. Der DuMont Verleger Alfred Neven will die von ihm erstandene Frankfurter Rundschau liberalisieren.
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Lesungen im Monat Januar.
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Zitat der Woche:

Bezeichnend für diese tote Woche wäre Heiner Müller heute, am 09.01.2009, 80 Jahre alt geworden. Nur was zitieren? Am besten das gesamte Werk. Stellvertretend hier vielleicht mal etwas aus seinem innigsten und ehrlichsten Schaffen: Lyrik nach '89. Ein Gedicht mit dem Titel „Leere Zeit“, das Müller an Sylvester 1994, seiner letzten Neujahrswende, geschrieben hat.

„Meinen Schatten von gestern
Hat die Sonne verbrannt
In einem müden April“
...

(Müller, Heiner: Leere Zeit. In: Ders.: Werke 1. Die Gedichte. Hg. von Frank Hörnigk. 1. Aufl. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998)


Ich erinnere mich an die Zukunft. Das macht auch 3sat. Die zeigen morgen, den 10.01.2009 um 20:15 Uhr, die Erstausstrahlung der Dokumentation Ich will nicht wissen, wer ich bin – Heiner Müller und im Anschluss um 21:15 Uhr Anatomie Titus Fall of Rome – Ein Shakespearekommentar (Inszenierung der Münchner Kammerspiele 2004).


auf ein neues
auf bruch

ihr wf schmid

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