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Wochenschau, News 347
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Wochenschau 6 W.F. Schmid         28.11.2008

Bevor ich großartig aushole über die literarische Preis- und Preisungskultur, sei diesbezüglich an dieser Stelle auf die obligatorische Sendung des Deutschlandradio hingewiesen. Hier setzt man sich vertieft mit Ingo Schulzes These der »Refeudalisierung des Kulturbetriebs« und der Instrumentalisierung durch die Kulturpolitik auseinander. So jetzt aber. Die Preise dieser Woche:



David Grossmann
Die Kraft zur Korrektur
Hanser 2008
Weiße Rosen aus München

Deutschland müsse sich mehr engagieren im Friedensprozess zwischen Israel und Palästinensern, und man könne mehr tun, um den Dialog zwischen beiden Seiten zu erleichtern. Das sind aber komische Dankesworte eines Literaturpreisträgers. Nicht so beim Geschwister-Scholl-Preis. Schließlich hat der Preis laut Statut seinen Sinn darin, „jährlich ein Buch jüngeren Datums auszuzeichnen, das von geistiger Unabhängig­keit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem gegenwärtigen Ver­antwortungs­bewusstsein wichtige Impulse zu geben.“ 2008 würdigt man in diesem Sinne David Grossmanns Essayband Die Kraft zur Korrektur.

David Grossmann, geboren 1954 in Jerusalem, verfasst nicht nur Romane, Essays und Kinder- und Jugendbücher, sondern trat vor allem als linksgerichteter Friedensaktivist und Kritiker des Nahost­konfliktes hervor. Im Hanser Verlag erschienen von Grossman unter anderem das Werk Stichwort: Liebe (1991), die Essaysammlung Diesen Krieg kann keiner gewinnen. Chronik eines angekündigten Friedens (2003) und der Jugendroman Wohin du mich führst (2001).

Der Geschwister-Scholl-Preis wird seit 1980 jährlich von der Stadt München und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. gemeinsam mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München vergeben. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Zu den bisherigen Preisträgern gehören u.a. Christa Wolf, Rolf Hochhuth, Jürgen Habermas, Anna Politkovskaja und Saul Friedländer.

Einen informativen Beitrag mit Selbstaussagen Grossmannns bietet das Deutschlandradio


Tukan – wieder München

Die Welt von Schopenhauer mit dem Internet-Zeitalter zu verbinden, geht das? Christine Wunnicke ist es mit ihrem Roman Serenity gelungen. Zumindest wenn es nach der Jury des Tukan-Preises geht. Im Mittelpunkt ihres Romanes steht der Philosoph Dr. Varendorf, ein Mittfünfziger, der eine kleine Schopenhauer-Bibliothek leitet, und seit einem Vierteljahrhundert an einer Habilitation über das Nichts arbeitet. Seine Hilfskraft installiert ihm zu Hause einen internetfähigen Computer. Varendorf baut sich eine Parallelexistenz im Netz auf. Er vereinsamt und entgleitet zunehmend in der virtuellen Welt aus Wille und Vorstellung.

»Schopenhauer-Kenner und -Laien – beide kommen auf ihre Kosten. Komisch und tragisch sind die Ereignisse, die in amüsanter Weise die Entwürfe verhandeln, die sich jeder Mensch von sich macht, mit denen er ebenso gut reüssieren wie scheitern kann«, so die Begründung der Jury. Die Gewinnerin arbeitet an Radiofeatures und Hörspielen. Sie ist auch als Übersetzerin und Herausgeberin tätig. Serenity ist ihre fünfte belletristische Veröffentlichung. Der Tukan-Preis ist mit 6.000 Euro dotiert und aussschließlich für Münchner Autoren bestimmt. Unter den bisherigen Preisträgern finden sich u.a. Friedrich Ani, Thomas Meinecke, Uwe Timm, Maxim Biller, Helmut Krausser und Günter Herburger.



Peter Kurzeck
Ein Sommer, der bleibt
supposé 2008
Hörbücher des Jahres 2008

Peter Kurzeck kann man nicht genug preisen! Nach der Verleihung der Goethe-Plakette in diesem Jahr wird Ein Sommer, der bleibt – Peter Kurzeck erzählt das Dorf seiner Kindheit zum Hörbuch des Jahres gekürt. Der Roman auf vier CDs zeichnet Peter Kurzecks Erlebnis- und Empfindungsraum seiner Jugend auf dem Lande nach. Der Roman entstand ohne jegliches Manuskript und wurde in freiem, mündlichem Erzählen des Autors eingelesen. Diese Leistung wurde jetzt auch mit dem 15.000 Euro dotierten Preis gewürdigt. Die Jury ist der Meinung, dass man etwas ganz und gar Spektakuläres erlebe: nämlich die Entstehung von Literatur beim Sprechen. Dieses Meisterwerk der Erzählkunst mache das Zuhören zu einer beglückenden Offenbarung und sei ein heller Stern am Himmel der vielfältigen Produktionen.

Zudem wird mit dem »Hörbuch-Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden« das »Kinder und Jugendhörbuch des Jahres 2008« ausgezeichnet. Diesen mit 10.000 Euro dotierte Preis erhält Andreas Steinhöfel mit der Lesung Rico, Oskar und die Tieferschatten (4 CDs, Hörbuch Hamburg/Silberfisch, Hamburg).

Grundlage der Auszeichnung ist die 12 monatliche hr2-Bestenliste – seit 1997 eine Initiative der hr2-Kulturredaktion und des Börsenblatts. Bisher ausgezeichnet wurden u.a. Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands, Rolf Dieter Brinkmann: Wörter Sex Schnitt, Gottfried Benn: Das Hörwerk 1928 – 56 und Bertolt Brecht: Werke – Eine Auswahl. Verliehen werden die Hörbücher des Jahres während des hr2-Hörfests Wiesbaden 2009 am Sonntag, 25. Januar, im Foyer des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.


Mondseer Lyrikpreis

Bereits zum 6. Mal wurde der mit 7.500 Euro dotierte Mondseer Lyrikpreis vergeben. Nach Ron Winkler (2006), Jan Wagner (2004) und Michael Donhauser (2001) heißt der Preisträger 2008 Erwin Einzinger.

Insgesamt hatten 382 Autorinnen und Autoren an dem Wettbewerb teilgenommen. Die Jury wählte die Texte von Erwin Einzinger aus, weil sie »so beiläufig wie konsequent, mit hintersinnigem Augenzwinkern und burlesker Komik ein abgründiges Panorama unserer Wirklichkeit entwerfen.« (Rezension seines aktuellen Bandes im poetenladen)


Nach Heidenreich

Der Sendeplatz für Lesen! ist an die Aspekte-Redaktion zurückgefallen. So weit nichts Neues. An dem Abend, an dem die nächste Sendung Lesen! geplant gewesen wäre, am 5.12.2008, wird es allerdings um 22.30 Uhr ein Asepkte-Special Literatur geben. Dem Aspekte-Moderator Wolfgang Herles wird hierfür die WDR Moderatorin Christine Westermann an die Seite gestellt. Auf der Literaturliste stehen:

Aravind Adiga: Der weiße Tiger (C.H.Beck)
Wiglaf Droste, Vincent Klink, Nikolaus Heidelbach: Wein (DuMont)
Dave Eggers: Weit gegangen (KiWi)
Erling Jepsen: Die Kunst im Chor zu weinen (Suhrkamp Nova)
Tilman Ramstedt: Der Kaiser von China (DuMont)
Robert Seethaler: Die weiteren Aussichten (Kein & Aber)

Elke Heidenreich hingegen hat endgültig eine neue Heimat gefunden. Auf dem heute ans Netz gegangene Literaturportal lit.COLONY wird sie weiter lesen. Das Portal hat sich als Ziel genommen das Fernsehen zu überwinden. Es bietet neben Rezensionen spielerische Elemente, Verlags­informationen und Kultur­nachrichten. In Kooperation mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen will man auch literarische Filme ins Netz stellen.
Hierzu ein Interview mit dem Initiator

Schweizer Bestseller

Der Schweizer Buchpreis hat aus kurzfristiger Sicht seinen Sinn erfüllt. Nach Hause schwimmen von Rolf Lappert ist zurzeit das meistverkaufte Buch der Schweiz. In der aktuellen offiziellen Bestseller-Liste (erstellt von Media Control) taucht der Sieger des ersten Schweizer Buchpreises auf Platz 1 auf. Dann kann man nur Daumen drücken, dass sich Lappert länger an dieser Stelle hält, als es für Tellkamp in Deutschland der Fall war.
Diebezüglich noch ein Fund: Adolf Muschgs Begründung seines Rücktrittes vom Schweizer Buchpreis, nachdem er auf der Shortlist stand.


Beim Kaffeeröster ein Buch veröffentlichen
Bei Tchibo gibts nur Kaffee? Schon lange nicht mehr. Nach der Kooperation mit der Postbank und dem Matratzenhersteller Schlaraffia ging Tchibo jetzt eine Kooperation mit dem Print-on-demand-Dienstleister Books on Demand (BoD) ein.

Für einen Supermarktpreis von 39,90 Euro kann man hier jetzt sein eigenes Buch veröffentlichen. Wie soll das denn funktionieren? Ganz einfach: Man kaufe sich einen Gutschein bei Tchibo, bekommt eine ISBN, damit der Titel auch in den Katalogen der Buchgroßhändler und in über 1.000 Online-Buchshops gelistet werden kann, und dann kann losbestellt werden. Man selber erhält eine »persönliche Beratung« und gütiger Weise noch ein Belegexemplar. Im Preis enthalten ist die elektronische Datenhaltung der Druckvorlagen für ein Jahr. Danach fallen hierfür Kosten von 1,99 Euro im Monat an. Das Angebot ist bis zum 6. Januar 2009 befristet, wobei die erworbenen Gutscheine in einem Zeitraum von 3 Jahren eingelöst werden müssen. Natürlich tritt man aber auch alle Rechte an BoD ab.


Klicktipps
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Neue Radiokunst. Einmal, zweimal.


Ausgehen
Am Samstag, dem 29. November, findet um 18 Uhr im Haus der Stadt Düren die »2. Lange Nacht der Poesie« statt. Es lesen: Nora Gomringer, Jan Wagner, Albert Ostermaier, Katharina Hacker, Dieter Wellershoff, Barbara Köhler, Lars Gustafsson und Wolf Wondratschek. Moderiert wird von Hajo Steinert, Michael Braun und Gerhard Quitmann.


In Aussicht
Gegenwärtige Lyriker (Uwe Kolbe, Monika Rinck, Jan Volker Röhnert, Aris Fioretos und Jan Wagner) sprechen über Baudelaire (02.12.2008, 19:30 Uhr, Deutschlandradio Kultur) und Der Stechlin wird gelesen in 33 Teilen (ab 1. Dezember 22 Uhr, NDR Kultur)

Zudem werden interessante Hörspiele geboten (alle über die Direktlinks auch per Livestream hörbar):
  • Jörg Albrechts Moon Tele Vision (1.12.2008, 00:05 Uhr, Deutschlandradio Kultur),
  • Raoul Schrotts Neufassung der Ilias (1. u. 2. Gesang) (6.12.2008, 20:05 Uhr, DLF)
  • Peter Handkes Wunschloses Unglück (6.12.2008, 21:00 Uhr, DRS 2)
  • Oskar Pastiors Die letzte Lesart (6.12.2008, 15:15 Uhr, BR 2)
  • Gustav Meyrinks Der Golem (7.12.2008, 22:30 Uhr, HR 2)
  • Ulrike Almut Sandigs Hörspielpremiere Hush little Baby (7.12.2008, 18:20 Uhr, SWR 2)


P.S. Gerade aufgeschlagen: die Zeit-Literaturbeilage. Lyrikliebhaber spart Euch das Geld. Bisher hat sich genau einmal das Wort »Lyriker« unter meine Äuglein gewagt. Bei Gerhard Falkner. Aber anstatt die neue Hölderlin Reparatur zu besprechen, wird seine »alte« Novelle aus dem Frühjahr vorgestellt. Doch Stopp. Auf den 94 Seiten findet sich doch noch ein Gedicht. Friederike Mayröcker ist gebeten worden, zu einem Bild eines Pradakonsumtempels in der Wüste Texas` zu dichten. Das Gedicht steht unter dem Artikel Der Kapitalismus wird grüner: Warum es sich lohnt, ein Rebell zu werden. Das entschädigt doch.
Auch darin gefunden; mein Zitat der Woche: »Musst du also einfach nur in der Lage sein, volle Kanne peinlich zu schreiben, um 100 Millionen zu verkaufen?« [Harald Mertenstein über Paulo Coelho]


so samma wieda gescheiter
t olle woche

ihr wf schmid

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