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Elefantenrennen

Nackt kroch sie durch den Raum.
Das Gewicht des Mannes auf ihrem Rücken konnte sie deutlich spüren und sie nahm es wahr wie eine Last, die sie gerechterweise zu tragen hatte. Seine Beine hatte er um ihre Schenkel geklemmt und mit der flachen Hand tätschelte er ihre Hüfte, um sie anzuspornen schneller zu kriechen, was ihr schwer fiel.
Nein, sie war nicht sportlich und diese Übung überforderte sie immer noch, obwohl er sie oft mit ihr wiederholte. „Elefantenrennen“ nannte er das und dieses Wort schmerzte sie mehr als die Übung selbst.

Irgendwann stieg er von ihrem Rücken und nahm sie mit auf sein Bett. Dort durfte sie ausruhen und er wischte den Schweiß von ihrer dünnen Haut.
„Liebst du mich?“, fragte er dann und sie nickte. „Mehr als Dein Leben?“, wollte er wissen und sie sagte: „Ja, wenn ich eines hätte!“
Er lachte und rieb ihr Gesäß: „Du hast doch mich. Ich bin deine Qual, deine Erlösung, deine Verdammnis und deine Rettung! Ich bin dein Anfang und dein Ende!“
Und sie wusste, dass er recht damit hatte.

Eines Tages kamen seine Freunde zu Besuch, als sie gerade am Boden hockte, bereit seine Last zu tragen. Sie klingelten nicht, sondern standen einfach da, stampften in sein Zimmer hinein und er lachte.
Sie wollte aufspringen, doch ihre Masse hinderte sie. Sie wollte den Mund öffnen und sich beschweren, doch er sagte: „Halt`s Maul!“

Dann trug sie abwechselnd drei Lasten, wurde wie ein Tier durch das Zimmer gejagt und er nannte sie „Meine Elefantin“, was aus seinem Mund wie ein Kosewort klang, so sanft sprach er es aus.

In den Augen der Freunde glitzerte kindlicher Neid, als sie ihre Lasten sicher zum Bett getragen hatte und sich ausruhen durfte. Wer von ihnen hätte früher nicht gerne einen Elefanten besessen? Und sie begann sich zu freuen, sie gehörte jemanden, hatte Anfang und Ende, hatte ein Schicksal, wurde erlöst und fand ihre Rettung...

Dann wischten sechs Hände ihren Schweiß fort und produzierten neuen Schweiß, Nässe und Anstrengung...Drei Lasten trug sie und alle drei brachte sie sicher hinüber, dorthin wo aller Neid fortweht, wo es keine Männer und Frauen mehr gibt, sondern nur noch Elefanten und andere Tiere...

Am nächsten Tag erwachte sie unter dem Körper ihres Erretters, seine Freunde waren längst fort. „Du hast mich verärgert!“, erklärte er, nachdem sie ihn in die Küche getragen und ihm frischen Kaffee vorgesetzt hatte.
„Warum?“, fragte sie und wischte sich selbst den Schweiß von der Stirn.
„Du hast eine Freude durch andere erfahren, sogar mehr als durch mich! Hast du vergessen, wer ich bin?“
„Nein, du bist mein Anfang und mein Ende, mein Leben, mein Alles!“, hauchte sie und spürte dabei etwas Kaltes ihren Rücken herunterrieseln.
Sie sah, dass er sich fortwandte und eine große Angst befiel sie. Wollte er von ihr gehen?
„Das darf nie wieder geschehen!“, verlangte er, drehte sich zu ihr um und sah an ihr vorbei.

Da erkannte sie, dass nicht nur Elefanten dünnhäutig sind und etwas in ihr begann zu lachen. Dieses Lachen, das schließlich nach außen drang, durch die Küche dröhnte, an der Kaffeemaschine abprallte, vom Fußboden aufgefangen und zur Decke zurückgeworfen wurde... dieses Lachen war es, das ihr Ende besiegelte, ihr die ungeliebte Freiheit schenkte und sie täglich ihre Last vermissen ließ... bis ihr Körper sich zu leicht anfühlte... viel zu leicht... bis irgendwann nichts mehr an ihr an einen Elefanten erinnerte.

Kasoma
Prosa