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Hans van de Waarsenburg
 

SPIEGELBRIEF


1

Ich schreib dir einen langsamen Spiegelbrief
Einen Brief aus Zeit, worin Schritte gesetzt,
Worte gesagt und geschrieben werden:

Einen Brief aus Zeit, vorüber, der kaum
Noch berührt, ein blinder Fleck,
Zu Asche auf meiner Handfläche

Bis zum abgeschittnen Zackenrand eines Photos,
Das kleiner und kleiner wird. Niemand hat
Dieses Kind aus den Fluten retten können.

2

Den Kopf lass ich nicht hängen, die Stimme
Spricht noch, die Finger biegsam: hinter
Der Netzhaut läuft Saison um Saison ab:

Die Monate vergessen, die Namen gestrichen,
Denn bitter werden sie wie Gesichter
Darin die Wunde der Geburt nie geheilt war

Wo Zeit für immer den Kopf, vorüber,
Die Jahre blendet . Ich schreibe dir.

3

Ich schreibe dir einen Brief aus Zeit, winterlich
Während die Stunden übern Boden schaben,
Dein Gesicht, sichtbar noch, hinter Gartentüren.

Die Läden der Villa Carmen Sylva schiebt,
Dieses Domburger Haus, das ruht auf altem Adel, auf
Düne und Wind, wo deine warme Seestimme sagt:

Zeit muss geschält werden, runde diese Ecke.

Aus: Zeeschappen, 1981. Übersetzung: Gregor Laschen

Hans van de Waarsenburg  21.03.09
 

Hans van de Waarsenburg
Vorwort
Lyrik