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Christian Steinbacher
Belegte Brotzeit
Schon kommt erneut kein andres Lied zum Vorschein, denn hier riecht nichts pur, nimmt auf die Spur man nur und schnauft: „Hier haust kein Schmied!“ Dass es dich freut, war mitgemeint, stemm ich das Scheit und weich mir aus ins nächste Haus, das noch versperrt sich zeigt. Man kehrt nicht um den Stiel – vorm Besen Dung, die Scheiße fällt; nichts tun, was fehlt, ist auch nicht schlecht; so wird es recht, das bisschen Lesen hier herum –, sodass drauf gleich, na sag schon, was? Krumm, wie!? Nun denn, 's ist alles da, ja alles nagelneu, Herr Pluster, gut, so wird´s bald wieder duster, Knisper Knasper, nichts mit Häuschen, alles zu belegt hier, Mauserl, friss dich durch, es ist kein Kuchen,
Michael Braun Wir müssen uns Christian Steinbacher als einen Dichter in Bewegung vorstellen. Es sind zuerst die kleinen Gesten, die uns auffallen, die Bewegungen seiner Hände, seine Techniken der Aufmerksamkeitserzeugung, das leidenschaftliche Gestikulieren, mit dem er in Verbindung tritt zu seinem Publikum. Das Festival, das er seit einigen Jahren im oberösterreichischen Linz kuratiert, trägt nicht zufällig den Titel „Für die Beweglichkeit“. Durch seine Präsenz auf der Bühne kann man ganz unmittelbar das Verfertigen seiner Gedanken beim unablässigen Hin- und Hergehen miterleben. Christian Steinbacher dirigiert, er choreografiert gleichsam die Sprachzeichen, die er bevorzugt in überraschende grammatische und manchmal auch anti- So zeigt auch der Titel seines jüngsten Gedichtbands eine kuriose Fehlfunktion an: „Winkschaden, abgesetzt“. Einer Geste des Grüßens wird also ein technischer Mangel attestiert. Ein „Winkschaden“, so belehrt uns eine Notiz am Ende des Bandes, ist ursprünglich ein Begriff aus der Sphäre der Eisenbahn- Christian Steinbacher produziert in seinen Gedichten am laufenden Band minime, aber folgenreiche semantische und lautliche Verschiebungen und „Verwischungen“, so dass der Text immer neue Konnotations-Höfe öffnet. In einem Gespräch mit Ronald Pohl hat der Dichter seine Texte als „relativ unverortbare Knäuel aus sich aneinander reibenden Gedanken und Bildern“ charakterisiert: „Ich setze mich hin und beginne mit Wörtern und Bildern zu tändeln, und schon ergeben sich etwa ein interessant zu verdrehendes Idiom oder zwei zu kreuzende Bilder.“ Und dieses „Tändeln“ bei der fortgesetzten Ausübung seiner Verwischungskunst erzeugt Poeme von immenser Komik. In „Belegte Brotzeit“ spielt Steinbacher mit den Melodie- und Wort-Ressourcen des Volkslieds und eines traditionellen Märchentons. Ausgangspunkt ist ein sehr alltägliches Setting, das den Blick auf eine häusliche Genreszene öffnet. Hier wird aber kein romantisches Zauberwort entbunden, sondern das Liedhafte permanent in Stolperfallen verstrickt. Die sich fast überstürzenden Reime („denn hier riecht nichts pur / nimmt auf die Spur man nur“) geraten unweigerlich in komische Paradoxien und streifen das Nonsenshafte. Der harmonische Wohllaut des Volkslieds wird verweigert. Und der märchenhafte „Herr Pluster“, der da aufgerufen wird, verweist auf die Passion des Dichters, den seine Sprachbesessenheit dazu treibt, sich möglichst kunstvoll „aufzuplustern“ im Dienste einer barocken Wortfülle. Seine Methode der De-Konstruktion erlaubt es Steinbacher, die Muster konventioneller Poeme in ihre Einzelteile zu zerlegen und sie zu neuen widerständigen Texten, zu „kaum konzertante Konzentraten“ – so der Titel eines Langgedichts – zusammenzuschrauben. Mit großer Leidenschaft verbindet dieser Autor Sprachlust und Sprachskepsis, verschmilzt Liedformen mit ihrer Negation. Was Paul Wühr einmal als eine „Poetik des Fehlers“ gepriesen hat – Christian Steinbacher hat es zur poetischen Grammatik des „Winkschadens“ ausgebaut. Christian Steinbacher, geboren 1960 in Ried / Innkreis, lebt in Linz. Seit den frühen 1990er Jahren realisiert er Sprech-Auftritte und Textinstallationen. Das Gedicht „Belegte Brotzeit“ ist dem Kapitel „Kredenz mit Kratzer“ im Band „Winkschaden, abgesetzt“ (Czernin Verlag, Wien 2011) entnommen. Druckansicht |
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