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Jürgen Buchmann

Wird in Afrika Irisch gesprochen?

Eine viktorianische Wüsten- und Urwaldposse mit Kanonen und Nilpferd

Kurzkritik
  Jürgen Buchmann
Wird in Afrika Irisch gesprochen?
Eine viktorianische Wüsten- und Urwaldposse mit Kanonen und Nilpferd
Reinecke & Voß 2012
42 Seiten, 8 Euro

Zum Verlag  externer Link



„Was haben Ketten mit Kelten und Kanonen mit Konjugationen zu tun“, fragt der Erzähler auf Seite 26 von Buchmanns schmalen Büchlein. Um die Frage zu beant­worten, muss man seine Wüsten- und Urwald­posse lesen, was schnell erledigt ist; 31 Seiten liest man, selbst wenn man sie – was dringend empfohlen sei – laut liest, recht schnell durch. Doch damit ist es nicht getan, denn kaum ausgelesen, weckt das Buch den Wunsch, gleich noch einmal von vorn zu beginnen. Und noch einmal. Denn die Geschichte, die hier erzählt wird, und wie sie erzählt wird, lässt sich auf mindes­tens drei Ebenen genießen.
  Da gibt es zunächst den Essay von Robert MacAdam, auf den Buchmann „irgendwann in der Tropen­hitze“ eines „Bielefelder Sommers“ (wer nach diesem Anfang noch aufhören kann zu lesen, ist selbst Schuld) gestoßen ist, und den er hier in Über­setzung vorlegt. MacAdam verfolgt in seinem Essay die Spur ver­schie­dener Gerüchte, die besagen, dass es in Afrika Gegenden gebe, in denen Irisch ge­sprochen werde. Dass es sich dabei um das Dokument „einer frühen, methodisch noch in den Anfängen lie­genden Kel­tistik“ handelt, wird nicht in wissen­schaftlich ermüdender Weise gezeigt, auch nicht journalistisch-hämisch, sondern schlicht durch die Konfron­tation des Textes mit einge­streuten Spiel­szenen vor Augen geführt.
  Diese einge­streuten Szenen machen die zweite Ebene des Textes aus, auf der nicht mehr nur von einer unaus­gereif­ten Keltis­tik gehandelt wird, sondern von einem ganz allgemeinen Phänomen, dem Wunsch des Menschen, die weißen Flecken auf den Landkarten, sei es der Welt, sei es seines Denkens, nicht nur zu füllen, sondern die unbe­kannten auch gleich mit den bekannten Gegenden zu verknüpfen. Hier etwa kommt das Nilpferd mit dem aufgerissenen Maul ins Spiel, „abwechselnd schwarz wie Ebenholz aus Kamerun und rosa wie irische Glocken­heide“.Auch dies ist interes­sant zu lesen, und die Suche nach dem Eigenen im Fremden ist uns vielleicht nicht mehr so fremd, wie es der Wissen­schafts­diskurs des 19. Jahrhunderts ist.
  Die dritte Ebene ist die, auf der Buchmann sich, wie schon in den voran­gegan­genen Büchern Gram­matik der Sprachen von Babel und Memoiren eines münster­länder Mast­schweins als grandioser Erzähler und Formu­lierer erweist.
  "Der Bibliothekssaal der Königlichen Irischen Akademie fällt in mittägliches Schweigen zurück, getönt von den Licht­reflexen des polierten Mahagonis und der goldenen Dämmerung der Folian­ten, die in irischer Unziale gesetzt und in marok­kanisches Ziegen­leder gebunden sind.“ Das ist so ein Buchmann-Satz, und es gibt viele solche Sätze in diesem Büchlein. Durch den Zauber von Buchmanns Sprach­kunst vereinen sich die auf den beiden anderen Ebenen so erfolg­reich voneinander getrenn­ten Sprachen dann doch wieder zu einem beglü­ckenden Miteinander. Und am Ende verwundert es nicht, dass vor dem Postamt von Kilkenny eine irische Marktfrau und ein Afri­kaner einander lächelnd verstehen, ohne des anderen Sprache zu verstehen. Es reicht ihnen, dass jeder der beiden eine Sprache hat. Und das ist schön.

 

Dirk Uwe Hansen    25.05.2012   

 

 
Dirk Uwe Hansen
Lyrik