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Dem jungen Bettler auf der Friedrichstraße

Mohn des Asphalts, wie lange schon schenkst du
Kein Vergessen mehr. Der Frühling kam aus
Den Gullilöchern, die Vögel riefen ihn durch die Nacht:
Wer wollte ihnen am Morgen den Hals umdrehen?

Die Zeit war auf unserer Seite. Durch die Adern
Der Stadt ließen wir uns treiben bis in ihr Herz.
Die Dächer lagen uns zu Füßen. Wir hielten uns
An den Träumen fest, die den Himmel stützten.
Was wolltest du, was nicht wir alle wollten?

Zu Glas erstarrt, spiegelt sich die Zeit. Blicke
Irren an ihr entlang, die das Freie suchen. Durch
Den Lack der Karosserie dringt kein Schmerz;
Für das Muster der Scherben ist deine Haut schon zu hart.
Wohin geht ein Blick, der nicht über die Schuhspitzen reicht?

Gerade und blank wie Straßenbahnschienen die Zeilen
Auf dem Papier. Was wißt ihr vom Winter, wenn die Beine
Zu Stöcken gefroren sind, und du den Schnee nicht mehr spürst
Unter den Augen: Mit Mitleid bezahlt man Gedichte.

Dirk Rose      16.06.2006

Dirk Rose Lyrik