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Claudia Gülzow

Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, vor dem Fenster ein Ginster­busch, ein Ginster­busch links von meinem Kopf, dazwischen, am auf­fälligsten, ein schwarzer Fenster­rahmen, Fenster sind keine da, der Ginsterbusch links von meinem Kopf, hinter dem schwarzen Fenster­rahmen, verdeckt nicht die Alpen, der Ginster­busch verdeckt den Blick auf die Alpen, den freien Blick auf die Alpen, die Alpen sind zu sehen, links von meinem Kopf, hinter dem schwarzen Fenster­rahmen, ein Ginster­busch, hinter dem der freie Blick auf die Alpen, links neben mir mein zahmer Puma auf einem rubinrotem Perserteppich, sie schaut ins Feuer, das Feuer in einem offenen Kamin, hinter ihr der schwarze Fensterrahmen, hinter dem der Ginsterbusch steht, hinter dem der freie Blick auf die Alpen zu finden ist, da ist es taghell, vor dem freien Blick auf die Alpen, dem Ginsterbusch, dem schwarzen Fensterrahmen, da ist eine Zimmerdämmerung, links von mir, in den Augen, auf dem Fell meines zahmen Pumas, rechts von ihr, in meinen Augen, auf meiner Haut, Licht und Schatten des Feuers aus dem offenem Kamin vor uns, meine nackten Füße auf dem rubinrotem Perserteppich, meine nackten Füße mit rubinrot lackierten Nägeln auf dem Perserteppich, links von ihnen mein zahmer Puma, mit Licht und Schatten des Feuers aus dem offenen Kamin vor uns auf ihrem Fell, in ihren Augen, rechts von ihr ich, mit Licht und Schatten auf meiner Haut, in meinen Augen, links hinter mir der schwarze Fensterrahmen, hinter dem ein Ginsterbusch, der den freien Blick auf die Alpen verdeckt, die Alpen sind zu sehen


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, ein Bett wie ein Podest, ein mit einem weißen Laken bezogenes Bett, ich liege auf einem Podest, ein Podest wie ein Bett, ich liege auf dem Rücken, an meinem linken Handgelenk eine Kette, an meinem rechten Handgelenk eine Kette, eine zarte Kette an meinen Handgelenken, zwei knien neben meinen Beinen, links neben meinem Bein, rechts neben meinem Bein, zwei knien neben meinen Beinen, der links neben meinem Bein hält mein linkes Bein, der rechts neben meinem Bein hält mein rechtes Bein, sie halten meine Beine gespreizt, ich liege auf einem Podest, ein Podest wie ein Bett, meine Beine sind gespreizt, meine Arme durch die zarten Ketten gespannt, eine Frau bewegt sich auf meinem Gesicht, eine Frau bewegt ihr Geschlecht über meinem Mund, meine Lippen und meine Zunge küssen und lecken das Geschlecht einer Frau, zwei knien neben meinen Beinen, links neben meinem Bein, rechts neben meinem Bein, sie halten meine Beine gespreizt, ein Luftzug, mehrere Luftzüge, zwei ziehen an meinen Brustwarzen, zwei hocken neben mir, links von mir, rechts von mir, zwei hocken neben mir, zwei saugen an meinen Brustwarzen, eine Frau bewegt ihr Geschlecht auf meinen Lippen, zwei halten meine Beine gespreizt, eine zarte Kette an meinen Handgelenken, eine Kette zieht meine Arme von meinem Körper, die zarten Ketten sind gespannt, zwei halten meine Beine gespreizt, ein Luftzug, mehrere Luftzüge, zwei saugen an meinen Brustwarzen, eine Frau bewegt ihr Geschlecht auf meinen Lippen, die zarte Kette spannt


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, ein Bild wie eine Fotografie, zwei Meter lang die Malerei, die Malerei wie Fotografie, ich stehe vor dem Bild, ich bin von hinten zu sehen, ein Ausstellungsraum, keine Menschen weiter, ich stehe vor der Malerei, meine langen Haare liegen offen auf meinen Schultern, meine langen Haare sind von hinten zu sehen, zwei Meter hoch das Bild, mein Kopf verdeckt die untere linke Ecke der Malerei, eine Malerei wie Fotografie, die Malerei ein Porträt von Ulrike Meinhof, ihre kurzen Haare stumpf am Kopf, ein gemaltes Porträt Ulrike Meinhofs, ich stehe vor dem Bild, eine Malerei wie eine Fotografie, sie hält die Arme hinter ihrem Kopf verschränkt, mein Kopf ist von hinten zu sehen, ihre Augen zusammengekniffen, keine Menschen weiter in dem Ausstellungsraum, zwei Meter lang die Malerei, hinter dem Gesicht scheint ein weiteres Gesicht, hinter Ulrike Meinhofs Gesicht wurde ein anderes Gesicht gemalt, ein Porträt von zwei Menschen, eine Malerei wie eine Fotografie, hinter ihrem Gesicht scheint das Gesicht Stefan Austs, das Porträt Stefan Austs scheint durch das Gesicht Ulrike Meinhofs hindurch, ein Ausstellungsraum, ich bin von hinten zu sehen, ich stehe vor dem Porträt, ein Porträt wie eine Fotografie, keine Menschen weiter in dem Ausstellungsraum, meine langen Haare liegen auf meiner Schulter auf, Stefan Austs Gesicht ist rund, sein Blick geradewegs, durch ihr Gesicht scheint sein runder Kopf, sein Scheitel links hinter ihrem kurzen Haar, ich bin von hinten zu sehen, die Malerei wie eine Fotografie, das Porträt Stefan Austs scheint durch das Gesicht Ulrike Meinhofs hindurch, zwei Meter lang die Malerei, ich stehe davor, ich bin von hinten zu sehen, hinter ihrem Gesicht scheint das Gesicht Stefan Austs


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, eine Frau mit schwarzem Haar vor einem Auto, eine Frau mit schwarzem Haar vor einem roten Auto, das rote Auto steht nicht auf vier Räder, vier Räder in der Luft, vier Räder stehen nicht auf der Straße, das Auto liegt auf seiner rechten Seite, das rote Auto liegt auf der Fahrerseite, die Tür des Beifahrers ist geöffnet, von einer Hauswand ist Putz abgeschlagen, der abgeschlagene Putz liegt vor einer Hauswand, die Hauswand ist links von dem Auto, vor dem roten Auto ist ein Gehweg, neben der Hauswand ist ein Gehweg, ein Gehweg ist zwischen dem roten Auto und der Hauswand, eine Frau mit schwarzem Haar steht vor dem Auto, eine Frau mit schwarzem Haar hält den Kopf geneigt, hinter dem Auto eine Straße, die Straße ist links und rechts hinter dem roten Auto zu sehen, auf der Straße brennt eine Laterne, eine Laterne brennt rechts neben dem roten Auto, eine Frau mit schwarzem Haar schaut in das Auto, durch die Windschutzscheibe schaut eine Frau in das Auto, in dem roten Auto sitzt eine junge Frau, auf der Stirn der jungen Frau hinter der Windschutzscheibe ist Blut, die junge Frau schaut auf die Füße der Frau mit dem schwarzen Haar vor dem Auto, eine junge Frau hinter einer Windschutzscheibe hat an der Stirn eine Verletzung, eine junge Frau in einem roten Auto liegt auf der Fahrertür, auf der Fahrertür liegt ein rotes Auto, die Hauswand ist links von dem Auto, links hinter dem Auto ist eine Straße zu sehen, von der Hauswand ist Putz abgeschlagen, der Putz liegt auf einem Gehweg an der Hauswand links von dem Auto, eine Frau mit schwarzem Haar steht vor einem roten Auto, eine Frau mit schwarzem Haar hält ihren Kopf geneigt, hinter der Windschutzscheibe liegt eine Frau auf der Fahrertür, die Beifahrertür ist geöffnet, das rote Auto steht nicht auf den Rädern, rechts neben dem Auto ist eine Laterne zu sehen


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, hundert Jahre alte Pflastersteine, ich auf allen Vieren auf den hundert Jahre alten Pflastersteinen, aus meiner Nase tropft Blut, an meinen Schläfen mein loses Haar, etwas davon auf den hundert Jahre alten Pflastersteinen, in einem losen Kreis hinter mir stehen zwei Frauen, drei Männer, sie kennen mich nicht, zwei Frauen, drei Männer schauen zu mir, ich auf allen Vieren auf hundert Jahre alten Pflastersteinen, mein Blick, zwei Augen, eines schaut auf hundert Jahre alte Pflastersteine, etwas von dem Blut hängt an meinem Kinn, das andere der zwei Augen schaut auf die Füße vor ihm, die Füße vor mir, die Füße vor dem losen Kreis, zwei Frauen, drei Männer, die Münder der zwei Frauen, der drei Männer sind verschlossen, auch die geöffneten Augen, mein Mund steht offen, meine Augen sind offen, meine Ohren sind offen, meine offenen Ohren hören, "Bleib stehen!", ich auf allen Vieren auf hundert Jahre alten Pflastersteinen, auf meiner linken, auf meiner rechten Schulter liegen die Haare, an meinen Schläfen mein loses Haar, mein Blick, zwei Augen, dazwischen die Möglichkeit des Sterbens, die Möglichkeit meines Sterbens auf hundert Jahre alten Pflastersteinen, auf meiner linken, auf meiner rechten Schulter liegen meine losen Haare, meine losen Haare liegen auf meiner grünen Filzjacke dort wo meine linke, meine rechte Schulter ist, hinter mir in einem losen Kreis zwei Frauen, drei Männer, ihre Münder sind verschlossen, ihre geöffneten Augen, ihre Ohren, ich auf allen Vieren auf hundert Jahre alten Pflastersteinen höre, "Bleib stehen! Ich bring dich um!", mein Blick, zwei Augen, eines schaut auf hundert Jahre alte Pflastersteine, das andere schaut auf die Füße vor mir


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, eine in den Boden getrampelte Grassteppe, ich sitze auf einem braunen Mustang, ich trage Stiefel, meine Stiefel haben keine Sporen, das Pferd kniet, der braune Mustang kniet auf seinen Vorderbeinen, ich sitze sicher auf dem Pferd, ich trage einen Hut, mein brauner Mustang kniet vor einem Kalb, ein Kalb liegt am Boden, in meiner rechten Hand halte ich ein Lasso, meinen rechten Arm halte ich angewinkelt, um die Vorderhufe des Kalbes ist eine Schlinge gezurrt, der braune Mustang kniet auf seinen Vorderbeinen vor dem liegenden Kalb, das Kalb liegt auf einer in den Boden getrampelten Grassteppe, mein brauner Mustang hält den Kopf gestreckt, in meiner linken Hand halte ich die Zügel, das Lasso zerrt die Vorderhufe des Kalbes zusammen, das Kalb liegt verdreht im Körper am Boden, der Boden eine zertrampelte Grassteppe, am linken oberen Bildrand geht rot die Sonne unter, in meiner linken Hand halte ich die Zügel, die Zügel sperren das Maul meines Mustangs auf, ich trage Stiefel ohne Sporen, rechts hinter dem knienden Mustang ist eine Echse zu sehen, aus dem Maul des Kalbes blitzt seine Zunge, das Kalb liegt verdreht im Körper am Boden, in meiner rechten Hand halte ich ein Lasso, ich sitze sicher auf meinem Mustang, ich trage einen Hut


Selbstbildnis

Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, ein kleines Dachzimmer, unter einer Schräge ein Sofa, zwei liegen auf dem Sofa, ich liege unter dem anderen, der andere liegt auf mir, der andere stützt sich mit den Händen und Unterarmen ab, am Kopfende des Sofas steht ein Radio, im Dachzimmer ist dämmriges Licht von einer Tischlampe, ich halte die Augen geöffnet, ich warte, die Anzeige des Radios leuchtet, meine Augen schauen nicht, meine Augen warten an der Tapete, ich liege unter dem anderen, meinen Kopf halte ich überstreckt, über meinem Kopf die Brust des anderen, der andere hält seinen Mund geöffnet, mein Blick an ihm vorbei, mein Blick liegt auf der Wandschräge, meine Augen warten ab, am Kopfende des Sofas das Radio, auf dem Schreibtisch des anderen steht eine Lampe, im Zimmer ist es dunkel, der andere stützt sich mit den Händen und Unterarmen ab, der andere hält den Mund geöffnet, ich liege unter ihm, neben mir liegen meine Arme, die Senderskala des Radios leuchtet, das Licht im Dachzimmer ist schwach, meine Augen warten an der Tapete, unter einer Schräge ein Sofa, der andere liegt auf mir, der andere stützt sich mit den Händen und Unterarmen ab, meinen Kopf halte ich zur Seite hin überstreckt, im Blickwinkel der Schreibtisch des anderen, zwei liegen auf dem Sofa, ich liege unter dem anderen, der andere hält den Mund geöffnet, am Kopfende das Radio des anderen, die Senderskala des Radios leuchtet, meine Augen warten ab, meinen Kopf halte ich überstreckt, mein Blick liegt auf der Wandschräge, die Wandschräge über mir, über meinem überstreckten Kopf die Wandschräge, links und rechts von meinem Körper liegen meine Arme, mein Blick an ihm vorbei, auf dem Schreibtisch des anderen steht ein Lampe, im Dachzimmer ist dämmriges Licht von einer Tischlampe

Claudia Gülzow   26.03.2009    
Claudia Gülzow
Prosa